Jede Analyse beginnt mit Daten. Neben dem eigenen Archiv der von der römisch-katholischen Kirche Österreichs publizierten Daten sind für allgemeine Daten über die Bevölkerung die Statistik Austria und für ältere Zahlen über die Austritte und der Katholiken die Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland herangezogen worden. So konnte ich Daten über die Bevölkerung, die Anzahl der römisch-katholischen Menschen und die Austritte aus der röm.-katholischen Kirche seit 1991 zusammenstellen. Der Bevölkerungsanteil (bis 1992 noch über 80 %, aktuell ca. 51 %) lässt sich durch eine einfache Division errechnen. Weiters gibt es seit 2010 Daten über die Summe der eingenommenen Kirchenbeiträge. Dazu habe ich nirgends ältere Daten gefunden, die Kirche hat sie früher schlicht nicht veröffentlicht. Wer sie hat, soll sie mir bitte schicken, bei Bedarf könnte ich mit diesen Daten die Analyse wiederholen. Außerdem gibt es Daten übers Medianeinkommen, über die evangelischen Kirchenaustritte und so weiter.
Alle verwendeten Daten und der Analyseprozess (im Statistiksystem R) sind am Ende des Artikels verlinkt.
Die Anzahl der Austritte und jene der römisch-katholisch zugeordneten Menschen sind sogenannte Zeitreihen. Für Zeitreihen existieren einfach nutzbare, fertige Vorhersagemethoden. Sie haben den Vorteil, dass sie häufig automatisiert und schnell brauchbare Vorhersagen liefern, und nichts anderes brauchen als die Zahlen aus der Vergangenheit. Das ist aber gleichzeitig ihr Nachteil: Wir können sie nicht verwenden, um Zusammenhänge mit anderen Daten herzustellen, um den Verlauf durch andere Daten zu erklären.
Hier ist ein Beispiel für die Prognose des katholischen Bevölkerungsanteils. Mit den Daten bis einschließlich 2022 ergibt der Algorithmus die Prognose, dass Ende 2024 der römisch-katholische Bevölkerungsanteil unter 50 % sinken wird – eine Erwartung, die mit anderen Methoden auch bestätigt wird. Das Diagramm zeigt neben dem wahrscheinlichsten Verlauf in den zwei immer breiter werdenden Bändern die Unsicherheit der Vorhersage (Konfidenzintervall). Diese Unsicherheit nimmt natürlich weiter in die Zukunft schauend zu, die Fläche der Unsicherheit wird breiter.
Sobald wir die 2023-er-Daten haben, können wir sie in die Zeitreihe einfügen und erhalten für die nächsten Jahre präzisere Vorhersagen.
Für die Austritte pro Jahr sind die automatischen Vorhersagen nicht so gut brauchbar, weil die Zahlen sich von Jahr zu Jahr ziemlich stark ändern. Dass sie mit der Zeit zunehmen, findet der Algorithmus problemlos heraus, nur sind die eingefärbten Konfidenzintervalle so groß, dass die Vorhersage praktisch wertlos ist.
All das beantwortet noch nicht die Eingangsfrage: Was verursacht Kirchenaustritte?
Die Statistik hilft uns, Korrelationen festzustellen, aber die meisten von uns wissen: Korrelation heißt nicht Kausation. Wie in der Wissenschaft üblich können wir mit statistischen Methoden die Ursachen nicht belegen – aber falsche Annahmen widerlegen. Korrelation ist nicht automatisch Kausation, aber wenn eine behauptete Ursache statistisch keine Auswirkungen hat (also die Korrelation fehlt), ist die Annahme der Kausation auch widerlegt. Bei einer Ursache gehen wir ja davon aus, dass das Ereignis A das Ereignis B oft genug nach sich zieht, um eine Korrelation zu bemerken.
Weiters haben wir die Erwartung, dass ein behaupteter Zusammenhang plausibel sein sollte. Bei Spurious Correlations gibt es viele Kombinationen von Zeitreihen, die zwar korreliert sind, aber keinen plausiblen Grund für die Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs erkennen lassen.
Eine simple Methode, Annahmen über die Stärke des Zusammenhangs zwischen verschiedenen Aspekten zu berechnen und gegebenenfalls zu widerlegen ist die Analyse von Regressionsmodellen. Keine Angst, es wird nicht zu mathematisch.
Der katholische Kirchenhistoriker Professor emeritus Rudolf K. Höfer meint, die Ursache zu kennen, und trägt seine Ansichten darüber gerne vor. Seine wasserdichte Methode zur Erkenntnis: „Die Bischofskonferenz hat es gesagt“.
Das verlinkte Video enthält gute historische Informationen, aber bei manchen Schlussfolgerungen auch einen enormen Unterhaltungswert. Der ehemalige Professor zitiert Austrittszahlen aus zwei österreichischen Bistümern und nennt ab 27:30 die viel niedrigeren Zahlen aus den angrenzenden Bistümern in Italien und Slowenien. Dann erklärt er, dass das jene Leute sind, die in Österreich arbeiten und wegen des in Österreich vorgeschriebenen Kirchenbeitrags im Land, in dem sie leben, austreten (ab 29:10). Das ist nicht einmal mehr das Vergleichen von Äpfeln und Birnen: Das ist Äpfel und Weihrauch.
Das System der Widmung eines Teils der Einkommenssteuer in Italien, Slowenien und Ungarn findet Prof. em. Höfer gut zum Vermeiden von Austritten. Aber Slowenien wieder schlecht, weil dort auch Vereine, nicht nur Kirchen begünstigt werden können. Dass in Ungarn in 20 Jahren die Anzahl der bekennenden Katholiken fast um die Hälfte zurückging, vergisst er, oder weiß es zu dem Zeitpunkt noch nicht.
Es ist ein Musterbeispiel dafür, wie der jahrzehntelange Einfluss der organisierten Leichtgläubigkeit und als Theologe die aktive Beförderung der organisierten Leichtgläubigkeit die Fähigkeiten eines Menschen zu logischen Schlussfolgerungen beeinträchtigen.
Überprüfen wir erst einmal intuitiv die Annahme. Der Vortrag schildert die Geschichte des Kirchenbeitrags in Österreich. Wenn wir nur die Zeit der Republik seit 1945 betrachten, sehen wir, dass der Kirchenbeitrag seither immer bestand. Unsere Zahlenreihe startet 1991 mit über 80 % Katholiken, die in 32 Jahren auf knapp über 50 % fallen. Zwischen 1945 und 1991, in 46 Jahren, gab es also viel weniger Austritte als danach – bei von Anfang an bestehendem Kirchenbeitrag.
Die Frage der Plausibilität ist also schon einmal mit großen Fragezeichen versehen. Die durchschnittliche Austrittsrate zwischen 1991 und 2022 kennen wir: 0,089 %. Hätte diese Austrittsrate zwischen 1945 und 1990 bestanden, würde unsere Zeitreihe nicht von über 80 %, sondern von 65 bis 70 % starten. Wir bräuchten in Wirklichkeit eine Erklärung, mit der die Austrittsrate trotz des seit 1945 immer bestehenden Kirchenbeitrags zuerst 45 Jahre lang niedrig ist, dann 20 Jahre lang langsam ansteigt, und dann ab 2010 permanent über einem Prozent pro Jahr liegt.
Oder schauen wir in andere Länder, die keinen Kirchenbeitrag haben. Es stellt sich heraus, dass die Abwendung von Religion in allen westeuropäischen Ländern in ähnlichem Maß fortschreitet, obwohl die meisten Länder eben keinen Kirchenbeitrag haben. Sie haben halt deswegen auch kein Konzept von einem Religionsaustritt: Es ist einfach nicht notwendig.
Ungarn wurde bereits erwähnt, in Großbritannien ist nur mehr eine Minderheit christlich, und so weiter. Selbst in den als christlich geltenden USA vollzieht sich dieser Wandel in einem immer stärkeren Ausmaß.
Denken wir kurz über „den Austritt“ nach. Der Kirchenaustritt einer bestimmten Person ist die Folge psychischer Prozesse, eine innere Entscheidung. Häufig der Verlust des Glaubens, oder die Unzufriedenheit mit der Organisation. Diese individuellen Entscheidungen betrachten wir hier nicht, sondern die Summe der Austritte, was dann schon eine soziologische Frage ist. Gesellschaftliche Veränderungen haben einen Einfluss auf die individuellen Entscheidungen.
Jeder Austritt führt dazu, dass andere Menschen sehen, dass das in Ordnung ist. Die Austritte werden gesellschaftlich normalisiert. Insbesondere dann, wenn die Medien tagelang über Rekord-Austrittszahlen berichten.
Jeder Austritt verringert die Basis, also die Anzahl derer, die noch austreten können. Wenn es viele Austritte gibt und die Basis sonst auch kleiner wird, und der gleiche Anteil von Menschen (z. B. ein Prozent) pro Jahr austritt, werden die absoluten Zahlen, also „wie viele Menschen ausgetreten sind“, kleiner und kleiner. Dies ist die Zahl, die in den Medien diskutiert wird, und nach jeder Rekordzahl freut sich die Kirche, wenn im darauffolgenden Jahr weniger Menschen austreten. Auch wenn der Anteil der Ausgetretenen an der Basiszahl wieder einmal gestiegen ist, also von 1000 Menschen sich mehr als vorher für den Austritt entschieden haben.
Für unsere Analyse des Austrittsverhaltens ist aber der Anteil der vormaligen Mitglieder, die pro Jahr austreten, hilfreicher. Wenn es einmal soweit ist, dass die absoluten Austrittszahlen durch die schwindende Basis wieder zurückgehen, können wir immer noch sinnvoll Trends analysieren. Und das Zurückrechnen auf Austritte ist immer leicht möglich.
Außerdem haben wir auf dieser Ebene vergleichbare Daten von den evangelischen Kirchen in Österreich; leider ist bei ihnen die Datenbasis nicht so vollständig, aber immerhin für die letzten 15 Jahre verfügbar. (Wer mehr Daten hat, möge sie mir bitte schicken.) Und da stellt sich heraus, dass die Austrittsrate für evangelisch (Augsburger Bekenntnis, die größte evangelische Gruppe in Österreich) seit geraumer Zeit über der Austrittsrate aus der römisch-katholischen Kirche liegt.
Ein einziges Jahr bildet eine Ausnahme: 2010, das Jahr der römisch-katholischen Kindesmissbrauchsskandale. Oder genauer, das Jahr, seit dem das Image der römisch-katholischen Kirche permanent mit Kindervergewaltigung verbunden ist. Dies ist am Diagramm auch direkt abzulesen, aber bleiben wir erst einmal bei der evangelischen Kirche AB. Die Austrittsrate steigt kontinuierlich, erreicht 2016 1,5 % und im Jahr 2019 2 %. Jede fünzigste evangelische (AB) Person hat sich in diesem einen Jahr für den Austritt entschieden – und seither jedes Jahr. Viele erinnern sich noch: Im Jahr 2019 informierte der Europäische Gerichtshof die Republik Österreich darüber, dass es natürlich nicht geht, dass Angehörige einer Religionsgesellschaft einfach einen zusätzlichen bezahlten Feiertag bekommen, nur durch ihre mit der Geburt und Babytaufe erworbene Zugehörigkeit. Nach dieser Entscheidung und ihrer Umsetzung in Österreich sind die bereits hohen Austrittsraten noch weiter gewachsen.
Bei den Römisch-Katholischen ist 2010, das Jahr der öffentlichen Diskussion über die Rolle des Klerus in der Begehung und Vertuschung von Kindervergewaltigungsfällen, ein wichtiger Meilenstein. Die Austrittsrate trat damit permanent auf eine höhere Stufe. Kein Jahr davor hatte eine höhere Austrittsrate als irgendein Jahr danach. Dieser Skandal köchelt weiter und weiter, es gibt jedes Jahr Verurteilungen, Nachrichten aus anderen Ländern über dortigen Missbrauch, es erscheinen Aufarbeitungen einzelner Diözesen und so weiter.
In der Corona-Pandemie ging die Zahl der Austritte erst einmal zurück. Der Austritt ist häufig mit einem Amtstermin verbunden (auch wenn er mittlerweile auch mit digitaler Signatur von zu Hause aus geht), die Möglichkeiten waren somit eingeschränkt. Seither steigt die Austrittsrate aber steil an. Schon 2021 auf eine vergleichbare Höhe wie 2010 – das erscheint in den absoluten Zahlen gar nicht so deutlich, aber da sind ja auch zehn Jahre dazwischen, in denen die Basis merklich kleiner wurde. 2022 war dann das Jahr der Rekord-Austritte, sowohl absolut als auch in der Austrittsrate. Einerseits erschien im Jänner 2022 der Missbrauchsbericht aus Bayern, der auch in Österreich großes Interesse fand; andererseits fand die Kirche bereits für 2021 eine zusätzliche Erklärung für manche Austritte, nämlich das Eintreten für die Covid-Impfungen. Dies ist plausibel, aus vielen anderen Gruppen hat sich ein gewisser Anteil wegen der Impfdiskussionen verabschiedet.
Wir möchten also ein Modell für die Austrittsrate bauen. (Wir wenden einen Algorithmus, also festgelegte Schritte auf die Daten an, um ein Modell zu erhalten – diese Dinge werden in der öffentlichen Diskussion häufig verwechselt.) Das Modell hilft uns im Idealfall in zwei Punkten: Einerseits können wir seine Eigenschaften analysieren, zum Beispiel die Stärke des Zusammenhangs einzelner Aspekte mit der Zielgröße; andererseits können wir es auch benutzen, um neue Daten, z. B. das nächste Jahr vorherzusagen. Wenn wir das machen wollen, müssen wir uns aber auf solche Informationen beschränken, die zum Zeitpunkt der Vorhersage bereits bekannt sind.
Machen wir erst einmal etwas scheinbar Dummes: Erstellen wir ein Modell der Austrittsrate in Abhängigkeit von der Jahreszahl. Es gibt dafür zunächst keine plausible Erklärung: Warum sollte die Austrittsrate gerade von der Jahreszahl abhängen? Wenn wir einen Zusammenhang finden, wie erklären wir den? Außer dass, wie wir gesehen haben, die Austrittsrate mit der Zeit zunimmt, also wäre die Erklärung vorerst nur das, was wir schon wissen, ein Zirkelschluss.
Wir erhalten trotz aller Bedenken ein Modell, in das wir die Parameter (also die Jahreszahl) nochmal einsetzen können, um die Vorhersagen des Modells zu bekommen. Das schaut grafisch dargestellt so aus:
Wie man leicht sieht, steigt laut diesem Modell aus diesen Daten die Austrittsrate konstant an. Die eine Gerade, die wir erhalten haben, passt sich aber nicht besonders gut an den tatsächlichen Verlauf an, also an die Spitzen und die Tatsache, dass nach 2010 das Niveau anders ist als vorher. Auch die Abweichungen am Anfang und am Ende sind ein Anlass für Besorgnis über die Modellqualität.
Die Steigung der Geraden ist an den gesamten Zeitraum angepasst. Dabei wissen wir, dass es vor 2010 eine langsamer und seither eine schneller steigende Gerade geben müsste. Das Modell weiß das halt nicht.
Neben dem Diagramm können wir eine Kennzahl berechnen, die den Zusammenhang zwischen den Vorhersagen und den tatsächlichen Werten wiedergibt. Dafür wird gerne die R²-Statistik („Bestimmtheitsmaß“) verwendet, die in einer einzigen Zahl wiedergibt, wie viel von der Variation der Daten das Modell erklärt. Die R²-Zahl kann zwischen 0 und 1 liegen, höhere Werte sind besser.
Für unser hanebüchenes Modell erhalten wir ein R² von 0,696 („Adjusted R-squared“ im Statistikprogramm R). Das ist die Basis für Vergleiche, also von einem bewusst nicht gut gewählten Modell.
Um ein Modell zu rechnen, brauchen wir immer etwas, was sich auch ändert: Konstante Zahlen tragen zum Modell nicht bei. Wir können also nicht „Kirchenbeitrag ja/nein“ oder „Kirchenbeitrag = 1,1 % des Einkommens“ in unsere Modelle einsetzen. Es muss etwas sein, was den tatsächlich gezahlten oder vorgeschriebenen Kirchenbeitrag abbildet.
Bei der Statistik Austria bekommen wir für 1997 bis 2021 das jährliche Median-Nettoeinkommen der unselbständig Beschäftigten. Rechnen wir davon 1,1 %, also den Kirchenbeitrag aus, erhalten wir eine Zeitreihe, die in diesem Zeitraum von etwa 160 auf 260 € steigt. (Für 2022 ist noch keine Zahl bei der Statistik Austria erhältlich. Diese habe ich mit einer Zeitreihen-Vorhersage erstellen lassen. Die Bischofskonferenz hat Anfang 2022 angekündigt, die Vorschreibungen nicht im Ausmaß der Inflation zu erhöhen, also können sowohl die alten Berechnungen als auch die 2022-Vorhersage ungenau sein. Aber genauer wissen wir es derzeit einfach nicht.)
Wir müssen aber im Kopf behalten, dass zwar der Median-Kirchenbeitrag regelmäßig steigt, aber das Einkommen im gleichen Maße mehr wird. Es ist also weiterhin ein konstanter Anteil, nur könnten wir damit kein Modell bauen. Mit der Verwendung des Median-Kirchenbeitrags überschätzen wir dessen Einfluss etwas. Gleichzeitig ist es im Laufe eines Erwerbslebens meistens so, dass das Einkommen steigt, somit auch der Kirchenbeitrag. Es ist also komplex.
Versuchen wir, ein Modell mit diesen Daten zu bauen.
Die Vorhersage-Kurve ist nicht mehr eine Gerade, weil das Medianeinkommen (und damit der davon abgeleitete Kirchenbeitrag) zwischen den Jahren nicht mit dem gleichen Abstand wächst. Und sie erwischt wichtige Perioden (z. B. den Rückgang der Austrittsrate ab 2005, die große Spitze 2010 und die steile Steigerung ab 2021) überhaupt nicht. Im Gegenteil. Auffällig ist zum Beispiel das starke Wachstum 2016, während die Austrittsrate zurückgeht.
Das Bestimmtheitsmaß R² ist 0,72, kaum größer als beim Basismodell. Das ist keine spektakuläre Bestätigung der Hypothese „der Kirchenbeitrag verursacht Austritte“, aber auch keine besonders starke Widerlegung, soweit es statistische Methoden betrifft. Aber, wie erklärt, wir haben hier die für die Hypothese günstigste Annahme verwendet, nämlich dass die absolute Höhe der Beitragszahlungen (trotz in ähnlichem Ausmaß steigender Einkommen) wirklich die Ursache für mehr Austritte wäre.
Ein weiteres Problem mit diesem Ansatz ist, dass, wie wir gesehen haben, im Dezember 2023 noch kein Medianeinkommen für 2022 publiziert ist. Wir können diese Zahl also nur dann für eine Vorhersage der Austritte verwenden, wenn wir sie rechtzeitig erfahren oder wie hier selbst vorhersagen – was aber zusätzliche Ungenauigkeit ins Modell einbringt.
Wenn die Bischofskonferenz der Meinung ist, dass der Kirchenbeitrag wirklich die Ursache wachsender Austritte ist, hätte sie ein einfaches Mittel, diese These zu überprüfen: Sie – und nur sie – kann die Vorschreibung verringern. Wenn die Austritte danach zurückgehen, war die Hypothese richtig. Es ist aber die Frage, wie weit die Bischöfe diese wichtigste Einnahmequelle noch verringern wollen: Fundamentalistischere christliche Gemeinden verlangen von ihren Mitgliedern 10 % des Einkommens, nicht nur 1,1 % wie die römisch-katholische Kirche in Österreich.
In diesem Zusammenhang wäre es auch möglich, dass der Kirchenbeitrag zwar im Allgemeinen keine großen Austrittsbewegungen bewirkt, aber in einzelnen Situationen schon. Das könnte z. B. bei einem Jobverlust oder hoher Inflation oder steigenden Energiekosten die Notwendigkeit sein, die eigenen Ausgaben kritisch zu überprüfen und unnötige Zahlungen zu vermeiden. Dies wäre z. B. in der Finanzkrise um 2009 herum sowie seit 2022 eine mögliche Erklärung, ein Mit-Grund – nur eben nicht die Erklärung, die wir von der Kirche hören.
Teilweise hören wir die Behauptung: Wenn die römisch-katholische Kirche nur bereit wäre, Zölibat, Frauendiskriminierung, die Diskriminierung von Menschen mit anderen Lebensentwürfen usw. zu beenden, dann würden die Austritte aufhören. Wir haben aber gesehen, dass die evangelischen Kirchen, die genau diese Probleme nicht haben, noch höhere Austrittsraten haben. Auch die altkatholische Kirche, die seit 2023 in Österreich eine Bischöfin hat und auch in anderen gesellschaftlichen Fragen viel fortschrittlicher ist, könnte von 90.000 römisch-katholischen Austritten pro Jahr profitieren, wenn das der Grund wäre. Nur sehen wir das nicht.
Da wir die Abwendung von Religion international in einem ähnlichen Ausmaß sehen, wäre es naheliegend, die Säkularisierung der Gesellschaften, die wiederum ein komplexes Phänomen mit vielen Ursachen ist, als Grund zu betrachten. Intuitiv ist das verständlich: Für die erste Person einer Gemeinschaft kann der Austritt ein ziemlich schwieriger Schritt sein. Sind aber bereits einige ausgetreten, fällt diese soziale Hürde für andere weg. Damit ließe sich die steigende Austrittsrate also auch erklären.
Welche Kennzahl wählen wir? Da in Österreich lange Zeit die katholische Kirche die dominante Religion war und sie heute auch ca. fünfmal so viele Mitglieder hat wie alle anderen christlichen Religionsgesellschaften zusammen, können wir versuchen, den Grad der Säkularisierung einfach mit dem nicht-katholischen Bevölkerungsanteil zu errechnen. Wir haben ja für den gesamten Zeitraum die Bevölkerung und die Anzahl der Katholiken, das ist also leicht. Nur dass wir fürs aktuelle Jahr natürlich den Bevölkerungsanteil, der am Ende des Jahres erreicht wird, nicht kennen – die Bevölkerung Österreichs am Ende des Jahres auch nicht. Wir bauen das Modell für die Austritte jeden Jahres also mit den Zahlen des Jahres davor.
Inhaltlich schaut die Kurve unauffällig aus. Sie beginnt etwas niedrig, weil eben vor den 1990er-Jahren ein so großer Anteil der Bevölkerung noch katholisch war. Und nach stärkeren Austrittsjahren steigt sie auch steiler an als z. B. die Kurve auf Basis des Medianeinkommens. Die Spitzen bildet diese Kurve jedoch auch nicht ab, und der R²-Wert liegt nur bei 0,689, also etwas niedriger als bei den bisherigen Modellen. Statistisch ist das kein gutes Modell, obwohl wir eine so plausible Erklärung hatten.
Nehmen wir also die Austritte des Jahres davor dazu. Das ist ja auch irgendwie logisch, die „frischen“ Austritte im Umfeld können zusätzliche Menschen dazu verleiten, den Austritt als akzeptablen Schritt anzusehen. Gleichzeitig hilft uns das, das höhere Niveau ab 2010 abzubilden.
Es wird besser. Der niedrigere Grad vor 2010 und der höhere ab 2010 werden endlich abgebildet, die jährlichen Schwankungen und Spitzen sind halt um ein Jahr verschoben. Das Bestimmtheitsmaß steigt auf 0,715, und wir haben immer noch plausible Erklärungen für die Nutzung der beiden Variablen. Natürlich können wir mit diesem Modell nur das laufende Jahr vorhersagen, und auch erst, nachdem die Austrittszahlen fürs Vorjahr bekannt geworden sind. Langfristige Prognosen sind mit diesem Modell nicht möglich. Aber es erklärt zunehmend besser das allgemeine Niveau der Austrittsrate.
Vielfach werden auch katholische Skandale und andere Ereignisse mit öffentlicher Diskussion sowie langjährige Missstände wie die Diskriminierung von Frauen als Austrittsgründe genannt. Wie könnten wir diese abbilden?
Ein Ansatz ist, dafür eine Spalte namens Skandal in die Daten einzuführen. Den Wert dieser Spalte legen wir zwischen 0 und 1 fest, auf Basis einer historischen Betrachtung (bzw. fürs aktuelle Jahr, wenn wir es vorhersagen wollen, mit Beobachtung der öffentlichen Diskussion während des Jahres). Natürlich ist die Festlegung der Werte subjektiv und sollte mit Bedacht und guten Erklärungen durchgeführt werden, und auch ohne Betrachtung der tatsächlichen Austrittskurve, nur auf Basis der Einschätzung der öffentlichen Diskussion. Die absolute Größe (also ob wir 1 oder z. B. 100 als Obergrenze wählen) ist auch egal, solange man die Skandale des Jahres sinnvoll in Verhältnis mit anderen setzt.
Bis 2009 wähle ich für die Skandal-Variable den Wert 0, außer für 1995. Damals wurde die Groer-Affäre publik – aber die römisch-katholische Kirche hatte noch genug Macht und war unantastbar genug, damit es bei einer Behauptung, der nicht einmal vernünftig nachgegangen wurde, blieb. Dies beschreibe ich mit dem Wert 0,3.
2010 war dann das Jahr des Kindesmissbrauchsskandals schlechthin. Die katholische Kirche stand international und in Österreich plötzlich als kriminelle Organisation da, es waren nicht mehr bedauerliche Einzelfälle, sondern das System als Ganzes in der Diskussion. Dieses Jahr bekommt den höchsten Wert, nämlich 1 zugeordnet.
Seither, also ab 2011 setze ich 0,3 als Basisniveau für die Skandalisierung an. Das Thema Kindesmissbrauch bekommt die Kirche nicht weg, und das Tabu, die Kirche, ihre Lehren und ihre Praxis sowie den Papst öffentlich zu kritisieren, ist gefallen.
2020 war das Corona-Jahr, Behörden waren für eine Weile geschlossen, und viele Menschen hatten andere Sorgen als sich um einen Kirchenaustritt zu kümmern. Gleichzeitig behaupteten die Kirchen, ihre Stärken in der Pandemie ausspielen zu können, nämlich den Menschen Halt zu geben. Aus diesen Gründen setze ich für dieses Jahr 0,2 statt 0,3 an. Ja, das ist ein bisschen ad-hoc, aber die Begründung klingt plausibel.
2021 und 2022 waren die öffentlichen Diskussionen wieder stärker. Die Kirche nannte als Austrittsgrund in vielen Fällen das Eintreten für Impfungen. Kardinal Schönborn mit der Aussage „Herr, lass Hirn regnen!“ kam für viele auch nicht ideal rüber. Anfang 2022 erschien zudem die München-Freising-Missbrauchsstudie, die auch den Ex-Papst Ratzinger belastete. Dazu kamen weithin diskutierte Themen wie die Inkompetenz von Kardinal Woelki, der „Synodale Weg“ und die Rückmeldungen dazu, dass es eh egal ist, was die nationalen Versammlungen beschließen, und so weiter. Für 2021 wähle ich daher 0,5 und für 2022 0,75 als Skandal-Wert.
Das neue Modell wurde mit dem Grad der Säkularisierung (nicht-katholischer Bevölkerungsanteil im Vorjahr) und der Skandal-Bewertung erstellt. Auf die Austritte im Jahr davor habe ich verzichtet, um ein einfacheres Modell zu erhalten, und weil das Modell mit den Austritten nicht besser wurde.
Dieses Modell gibt den Verlauf endlich etwas besser wieder: Den langsamen Anstieg vor 2010, die Spitzen in Skandal-Jahren, das höhere Niveau seit 2011 und den steilen Anstieg der letzten Jahre. Das Bestimmtheitsmaß ist 0,908, also deutlich höher als wir bisher gesehen haben. Dies ist ein gutes Modell.
Natürlich kann man über die genaue Festlegung der Skandal-Verhältnisse diskutieren. Und wir müssen der Versuchung widerstehen, die Werte ab 2010 auf Basis des Diagramms feiner einzustellen, um die Kurve besser zu treffen: Die Maßzahl der Skandalisierung sollte unabhängig vom Modell und vom Diagramm bestimmt werden, nicht willkürlich, nur damit das Diagramm für alte Daten besser aussieht.
Selbst wenn man auf die „willkürliche“ Festlegung der Skandal-Werte seit 2010 verzichtet und einfach 0,3 für alle Jahre seither setzt, ist das Modell noch deutlich besser als die früheren und hat einen sinnvoll erscheinenden Verlauf, nur dass es die höheren Austritte der letzten beiden Jahre nicht vorhersagt.
Ich bleibe also beim dargestellten Modell. Es ist auf Basis von plausiblen Überlegungen entstanden und erklärt das Phänomen gut. Und damit ist auch eine Vorhersage für 2023 schon während des Jahres möglich.
Für 2023 würde ich 0,4 als „Skandal-Faktor“ ansetzen. Es gab einiges an Kritik an der Kirche, seltsame Äußerungen des Papstes und so weiter, aber keine krassen Fälle oder Diskussionen. Es ist die Frage, ob die Rekord-Austritte im Vorjahr besonders ins Gewicht fallen, und viele andere zum Austritt verleiten. Dann wäre ein höherer Faktor angemessen.
Mit 0,4 ergibt das Modell 65.995 Austritte. Mit 0,7 wären es 77.502. Mal sehen, was dem echten Ergebnis nahe kommt. Sollten die Austritte weiter deutlich steigen, haben wir ein Phänomen, das wir noch genauer untersuchen müssen – etwa einen exponentiellen Faktor bei der Beschleunigung der Säkularisierung.
Es hat sich gezeigt, dass die Austritte aus der römisch-katholischen Kirche sich nicht mit einer einzigen Begründung erklären lassen. Erst die Kombination von zwei gut überlegten und plausiblen historischen Kennzahlen hat zu einem annehmbaren Modell geführt, das allerdings nur fürs laufende Jahr verwendbar ist und einiges an subjektiven Einschätzungen erfordert.
Längerfristig können wir nur sagen, dass die Austrittsrate ziemlich kontinuierlich steigt, was für eine Weile noch zu Rekordzahlen bei den Austritten führen wird. Wann diese Entwicklung aufhört oder die Richtung ändert, lässt sich derzeit mit statistischen Methoden nicht vorhersagen.
Die historische Begründung der Austritte durch die Bischofskonferenz hat sich nicht wirklich bestätigen lassen: Sie ist angesichts der internationalen Entwicklungen und auch durch die fehlende Abbildung von Austritts-Spitzenjahren weder plausibel noch ausreichend. Das bedeutet aber auch, dass die Kirche ohne genaue Kenntnis der Austrittsgründe arbeitet oder diese nicht offen kommuniziert.
]]>Darüber hat er ein Buch geschrieben, das im Internet frei zugänglich und auch als Taschenbuch erhältlich ist.
Rob J. Hyndman ist ein fleißig publizierender Professor für Statistik in Australien. Einer seiner Schwerpunkte ist die Vorhersage von Zeitreihen, also z. B. jährlichen oder monatlichen Daten. Aus diesem Zusammenhang kannte ich ihn und seine Bücher über eben dieses Thema schon länger.
Vor kurzem stieß ich auf sein Buch Unbelievable, das nichts mit Statistik zu tun hat. Als Professor kann er gut und verständlich, präzise und überzeugend schreiben; das Buch ist nicht allzu lang, die Web-Version kann man in wenigen Stunden durchlesen.
Prof. Hyndman war dreißig Jahre lang Mitglied einer Gruppe namens
Christadelphian. Der Name ist
eine Zusammensetzung von Christus
und adelphoi
(Brüder), die
Ansichten sind stark bibelgläubig, baptistisch (sie taufen also nur Erwachsene,
die das wollen) und adventistisch (sie erwarten und hoffen auf eine Auferstehung
und die Wiederkunft Christi). Der Ursprung der Gemeinde liegt in den USA der
Mitte des 19. Jahrhunderts. Wie viele andere Abspaltungen von Abspaltungen, die
wir heute noch kennen, fand auch der Gründer endlich den einzig richtigen Weg,
die Bibel zu interpretieren. Vielleicht der größte Unterschied zwischen den
Christadelphian und den meisten bekannten christlichen Bekenntnissen ist die
Ablehnung der Dreifaltigkeit Gottes. Aber von außen gesehen sind sie eine
relativ strenge christlich-evangelikale Gruppe mit den üblichen Ansichten
– Kreationismus inklusive.
Die Christadelphian haben keine hauptamtlichen Geistlichen. Sie bilden kleine basisdemokratische Gemeinden, in denen die aktiven männlichen Mitglieder Vorträge halten und den Gottesdienst leiten. Rob Hyndman war ein solches aktives Mitglied. Er hielt Vorträge, hatte einen aktiven, seither eingestellten Blog mit seinen Glaubensansichten, und schrieb sogar Bücher wie The way of life und andere einführende Texte.
Im Kontakt mit einem Aussteiger (Kapitel 1) bekam er von seinem Gegenüber die Aussage:
So my question is — it seems like for every point you’ve addressed, the hypothesis that
“Like all other religions, Christianity is a man-made invention”
has as much or more explanatory power than the alternatives.
Dies ist für einen Wissenschaftler eine klare und verständliche Aussage: Es gibt verschiedene Hypothesen, die bestimmte Ergebnisse besser oder schlechter erklären. Hyndman setzte sich also hin, um auf dieser Ebene zu diskutieren. Er wollte seine Standard-Liste von Gründen für den Glauben (Prophezeiung, Auferstehung, Schöpfung, Archäologie, Konsistenz der biblischen Überlieferung und die Reinheits-Gesetze im alten Testament) durcharbeiten, musste aber feststellen, dass er in dieser Diskussion mit ihnen nicht weit kommt. Er strich nach und nach die Punkte von seiner Liste, weil er schon für sich selbst nicht in der Lage war, diese ohne Widersprüche und logische Fehler zu formulieren. Als er bei den letzten beiden Punkten, Prophezeiungen und der Auferstehung ankam, merkte er, dass er nichts Stichhaltiges mehr schreiben kann und eigentlich nur mehr sich selbst zu überzeugen versucht. Kurze Zeit später verlor er den Glauben.
Professor Hyndman suchte die Diskussion selbst. Letztendlich bekam er eine Herausforderung, die mehr seiner wissenschaftlichen Arbeit als der Echokammer in seiner Gemeinde ähnelte: Er war damit konfrontiert, nicht nur richtig erscheinende, unwidersprochene Erklärungen äußern zu müssen, sondern auch selbst ihre Richtigkeit zu prüfen. Er wurde herausgefordert, nicht nur Argumente für eine feststehende Meinung zu finden, sondern auch alternative Erklärungen zu prüfen. Einmal wirklich intellektuell redlich über die Grundlagen seines Glaubens nachzudenken und sie mit den Augen eines Außenstehenden zu sehen. Und das führte bei ihm in kurzer Zeit dazu, dass er den Glauben verlor.
Kapitel 2 gibt den Blog-Post wieder, mit dem er sich 2013 aus der Gemeinde
verabschiedete. Der Autor erklärt, dass ein Großteil seines Freundeskreises
in der Christadelphian-Gemeinde war, er viel Positives in dieser Gemeinschaft
erlebt hat und sie vermissen wird. Interessant ist seine Erklärung, warum er
sich nicht als Atheist
bezeichnen will.
In den Kapiteln 3 und 4
beschäftigt er sich mit seiner Sicht von faith
(ungefähr: Glauben) und
erklärt den auch in der Statistik sehr bekannten Bestätigungsfehler, der
Menschen dazu bringt, nur Evidenz zu suchen, die ihre bestehenden Ansichten
bestätigt.
Die Kapitel 5 bis 15, der Schwerpunkt des Buches, setzen sich mit einzelnen Themen auseinander, die Prof. Hyndman selbst als christlicher Vortragender als wichtige Punkte des christlichen Glaubens und als Gründe für ihn, diesen Glauben zu haben, ansah. Dabei zitiert er Studien und seine Erklärungen, die die einzelnen Punkte widerlegen.
Besonders interessant ist Kapitel
8, in dem der Experte für
Vorhersagen die Vorhersagen
der Bibel analysiert. Diese werden von
Christen häufig als Bestätigung für die göttliche Inspiration
der Bibel
genannt, Prof. Hyndman tat das in seinem früheren christlichen Leben auch. Er
zeigt, warum sie nicht ausreichend präzise sind, um sie auf spätere Ereignisse
anzuwenden, und was diese Prophezeiungen von echten Vorhersagen unterscheidet.
Weitere Themen sind die unterschiedlichen Erzählungen über die Auferstehung und ihre nicht auflösbaren Widersprüche, Kreationismus und Evolution sowie biblische Archäologie. Hier beschreibt der Autor wieder, wie er früher nur Ergebnisse akzeptiert hat, die die Erzählung bestätigten – aber die Hypothese der fehlerfreien Bibel wird durch Erkenntnisse, die ihr widersprechen, widerlegt, egal wie viele – erwartbare – Übereinstimmungen man findet.
Diese bibelbezogenen Teile sind nicht zu lang, gehen nicht sehr ins Detail, und es gibt Regalmeter an Literatur zu den einzelnen Themen, aber wenn man die nicht lesen will, findet man hier einen guten Überblick.
Kapitel 15 mit dem Titel I
am not an axe-murderer
beschäftigt sich schließlich mit dem Mythos, dass nur
die richtige Variante der christlichen Religion richtige Handlungsanweisungen
für ein ethisches Leben gäbe. Hyndman erklärt, dass seine Vorstellungen über
Moral sich seit dem Ausstieg nur in wenigen Punkten geändert hätten: Bei der
Beurteilung von Homosexualität und von vor- oder außerehelichen sexuellen
Beziehungen, die er jetzt allesamt nicht mehr ablehnt.
Er weist auf die schon vor den Jesus-Mythen z. B. in der griechischen
Philosophie entwickelten Grundsätze hin und stellt sie ungeheuerlichen, heute
nirgends befolgten moralischen Regeln aus der Bibel entgegen.
Den Abschluss des Buches bilden Kapitel mit Botschaften von Menschen, die
Professor Hyndman nach seinem Ausstieg aus der Christadelphian-Gruppe
erreichten. Von den üblichen Höllendrohungen über Traurigkeit und Ankündigung
von Gebeten bis hin zur Standard-Annahme, dass nicht die rationale Analyse der
Argumente, sondern ein trauriges Ereignis zum Ausstieg geführt haben muss, ist
alles dabei. Der Autor nimmt zu vielen Punkten Stellung – auch zu solchen, in
denen ihm arrogant erklärt
wird, was er alles machen soll, um wieder zum
richtigen Glauben zurückzufinden.
Aber auch andere AussteigerInnen melden sich zu Wort und bieten Prof. Hyndman ihre Unterstützung an. Mit diesen positiven Botschaften endet das Buch.
Professor Rob J. Hyndmans Unbelievable ist eine wertvolle Ressource mit direkt
verlinkbaren Kapiteln für Diskussionen über einzelne Punkte des christlichen
Glaubens. Sie ist nicht dafür gedacht, existierende Christen vom Glauben
abzubringen, dokumentiert aber die Gründe, warum dieser Wissenschaftler den
Glauben nicht mehr mit seinem Wissen vereinbaren konnte, wie sein Vorhaben, die
Grundlagen zu beweisen
, ihn von diesen wegbrachte. Das Buch kann also
helfen, Menschen, die mit Zweifeln an ihrem Glauben kämpfen, zu zeigen, wie sie
ihre Glaubensinhalte überprüfen und die falschen von den richtigen
unterscheiden.
Zwei Lebensmittel
im weitesten Sinn sind im Ablauf der römisch-katholischen Gottesdienste sehr wichtig: Die
Hostie und der Wein.
Die Auseinandersetzungen über die exakte Beschaffenheit der Hostie (laut Bibel eigentlich: Brot) haben zu ganzen
Kirchenspaltungen geführt, das ist also eine sehr wichtige Frage. In der
katholischen Messe werden simple geschmacklose Oblaten real
zum Leib Jesu Christi, zumindest nach der offiziellen
Lehre der Kirche. (Das ist schon ein gutes Setup für Satire.)
Der Wein muss ausschließlich aus Trauben hergestellt sein; Zusätze, die in der modernen Weinkultur üblich sind,
sind nicht erlaubt. Für Priester mit Alkoholproblemen und für Jugendliche im Gottesdienst ist aber auch kein Wein,
sondern reiner Traubensaft zulässig. Aus dem Wein (oder Traubensaft) wird das Blut Christi. Die katholische Theologie
hat sich noch nicht ausführlich dazu geäußert, ob der unterschiedliche Ausgangsstoff auch einen anderen Promille-Level
im Blut
bewirkt. (Der Absurditätslevel steigt und steigt, aber da diese Dinge bekannt sind, braucht es einen
unerwarteten Auslöser, damit das Lachen explosionsartig ausbrechen kann.)
Diese Dinge sind wichtig. Deswegen bedurfte es eines offiziellen Briefes des Erzbischofs von
Kansas, um die Kleriker in seiner Diözese zu
informieren, dass sie das bitte beachten mögen. Nicht alle Weine, die für Gottesdienste verwendet wurden, erfüllen die
strengen Kriterien dafür. Selbst wenn sie als sacramental
ausgewiesen waren: Sorry, das ist nur eine unregulierte
Selbstbezeichnung des Herstellers, reines Marketing.
OK, in einem normalen Umfeld würde man die Bestände überprüfen und es zukünftig richtig machen, bis etwa drei bis fünf Jahre später alles vergessen ist und der Schlendrian und die Zwei-zum-Preis-von-einem-Angebote im Supermarkt wieder stärker sind. Aber nicht in der römisch-katholischen Kirche. Zauberbluttrinken hat dort ernsthaft Zauberwirkung. Der Erzbischof in seinem Brief:
The result of this long-term practice in these parishes is that for any number of years all Masses celebrated were invalid and therefore the intentions for which those Masses were offered were not satisfied
Das Ergebnis dieser langjährigen Praxis in diesen Pfarren ist, dass über Jahre alle zelebrierten Messen ungültig waren und deswegen die Zwecke, für die sie zelebriert wurden, nicht erfüllt wurden
Dschisös. Erntedank-Messen, bei denen man sich nach einer harten und arbeitsreichen Landwirtschafts-Saison beim imaginären Freund für die Ergebnisse bedankt: Ungültig. Die Messe für den Opa, bei dem man hofft, ihn trotz seines Lebenswandels zumindest für fünf Jahre aus dem Höllenfeuer rauszuhalten: Nichtig. Eine kirchlich geschlossene Ehe: Ist sie wirklich eine Ehe? Oder hat man die ganzen Jahre mit dem standesamtlich, aber nicht kirchlich geheirateten Ehepartner ehegebrochen? Das sind die großen Fragen des 21. Jahrhunderts in der katholischen Kirche.
This is a gravely serious situation for which we must now petition the Holy See for guidance on restorative measures.
Dies ist eine schwerwiegend ernste Situation, in der wir den Heiligen Stuhl für die Anleitung zu Korrekturmaßnahmen bitten müssen.
(Für die deutschen LeserInnen bleibt die feine Ironie, dass Stuhl in Österreich seltener für den Sitzmöbel als für feste Exkremente steht, verborgen. Holy Shit.)
Falsche Entscheidungen im Supermarkt, ein paar gesparte Dollar: Über Jahre wurden Leben von Gläubigen ruiniert. Glücklicherweise nicht real, nur in ihrer Vorstellung. Eine Kirche, die ihre Angehörigen schädigt, und ihre eigene Reputation mit dazu. An erfundene Dinge zu glauben ist schädlich: Hier in erster Linie für jene, die das tun; die Auswirkungen auf die Gesellschaft sind in diesem Fall glücklicherweise geringer. (Lachen ist sogar gesund, aber die Leute, die an so etwas glauben, haben tatsächlich das Wahlrecht.)
Wie schaut’s mit Hostien aus? Viel besser. Da gibt es keine Diskussionen über die Echtheit: Das fade Zeug würde niemand freiwillig außerhalb des Gottesdienstes essen. Es ist kein Genussmittel wie Wein. In Thomaston, Connecticut (USA) ist jedenfalls ein echtes Wunder geschehen. Die Diözese lässt untersuchen. Die heiligen Kekse – ungezählt – wurden in einer Schüssel herumgereicht und die Anwesenden hatten den Eindruck, dass sie beim Herausnehmen nicht weniger wurden. Es könnte natürlich sein (in der atheistischen Propaganda des Teufels), dass der Priester zwischendurch eine weitere Packung reingeleert hat oder einfach nicht zählen kann, oder dass die Gemeinde an diesem Tag keine große Lust auf essbare Pappe hatte. Aber die weitaus wahrscheinlichste Erklärung ist klar, dass der Allmächtige zwischen dem Parkplatz-Organisieren, bei Prüfungen unterstützen, Dank der Torschützen beider gegnerischer Fussballmanschaften entgegennehmen usw. kurz die Zeit fand, in diese Schüssel mehr und mehr von seinem eigenen Körper hineinzulegen, selbst wenn er dann nicht gegessen wurde. Dies – in Thomaston, Connecticut natürlich – ist die klare Priorität fürs Jahr 2023, nicht etwa Krieg, Dürre und anderswo Überschwemmungen, Klimakatastrophe und soziale Ungerechtigkeit. Hauptsache, die Zauberkekse sollen an diesem Tag nicht weniger geworden sein. Gottes Wege sind unergiebig.
Wer die Lachmuskeln weiter trainieren möchte, kann sich noch den Dümmsten Anzunehmenden Glaubensunfall des Vorjahres zu Gemüte führen. Gute Komiker kommen regelmäßig mit neuem Programm raus. Im Vorjahr waren es ungültige Taufen, die beim ungültig getauften Pfarrer natürlich zu multiplizierten negativen Konsequenzen in den magischen Auswirkungen der magischen Rituale führten. Heuer die wichtigsten Lebensmittel in der wichtigsten Zeremonie der Religion.
Ist das alles ernst gemeint? Von außen ist das nicht festzustellen. Die absurd komischen Züge überwiegen so stark, dass die Hypothese, es handle sich um einen fast zweitausend Jahre alten Scherz, der sich verselbständigt hat und auf hohem Niveau weitergeführt wird, immer plausibler wirkt. Wogegen eh nichts einzuwenden ist, nur sollten die Vertreter aufhören, andere als Religionssatire oder Spaß-Religion zu bezeichnen. Oder? Vielleicht sind sie ja die wahren Experten für Religionssatire?
Die Scherz-Hypothese ist tatsächlich die freundlichere. Die Alternative wäre nämlich, dass die zweifellos vorhandene
Komik aus der Richtung so blöd können sie nicht wirklich sein
kommt.
Es ist ähnlich wie in der österreichischen Politik. Die KabarettistInnen müssen regelmäßig feststellen, dass ihre Fantasie keine Chance gegen die Realität hat. Religionssatire tut sich in ähnlicher Weise schwer, solange die größte Religionsgemeinschaft der Welt ihre realen Probleme so löst.
]]>Designin der Biologie erkannt haben will. Zwischen Aufnahme und Veröffentlichung vergeht immer etwas Zeit, in der manchmal interessante neue Dinge in den behandelten Themenkreisen passieren.
Gerade bei den Drag-Queen-Märchenstunden, die von rechten und christlichen Kreisen immer wieder ohne Faktengrundlage mit Homosexualität oder Transsexualität vermengt und deswegen wütend bekämpft werden, kochte die Stimmung ziemlich hoch.
Am 16. April fand eine Lesung in der Türkis Rosa Lila Villa
, einem
Beratungs- und Veranstaltungszentrum der LGBTQI+-Community statt. Prompt wurde
eine Demonstration dagegen angekündigt und durchgeführt, etwa 200 Rechte und
Fundichristen kamen vorbei. Ähnlich viele PolizistInnen schützten die
Veranstaltung und schirmten die Demo und die wesentlich größere Gegendemo
voneinander ab.
Die kleine Gruppe der Demonstrierenden bestand aus bekannten Neonazis und Identitären wie Martin Sellner. Zwei Anzeigen wurden wegen des verbotenen Hitlergrußes ausgesprochen. Also alles wie immer?
Nein, nicht ganz. Im Standard-Bericht ist ein Mann in bunter Jacke in der Nähe des Identitären-Führers Martin Sellner zu sehen, der ein etwas komisches Blasinstrument aus einem Widderhorn bläst. Im Alltag in Österreich ist dieses Instrument, das Schofarhorn nicht so bekannt, aber es hat eine starke symbolische Bedeutung. Im alten Testament spielen diese Hörner bei der mythischen Eroberung der Stadt Jericho eine Rolle, als die Eroberer nach anderen rituellen Handlungen siebenmal den Schofar blasen mussten, wodurch die Mauern einstürzten.
Dieses Märchen dient heutigen Evangelikalen, am häufigsten in den USA, aber
mittlerweile auch in Österreich, als Anlass, den Schofar als Instrument mit
Zauberwirkung anzusehen. Einerseits in ihrem spirituellen Kampf
wie auch
bei dieser Demonstration, oder vor der Erstürmung des Kapitols am 6. Jänner
2021 in
Verbindung mit sogenannten Jericho-Märschen, also in Verbindung mit
vorgestellter und manchmal eben in die Tat umgesetzter Gewalt.
Andererseits gibt es alle möglichen Wundergeschichten von Fernsehpredigern und anderen Lügnern, was sie alles mit dem Blasen des Schofars erreicht hätten: Zum Beispiel ein Tornado kontrolliert oder einen kaputten Bus wieder flottbekommen.
Wenn man also Christen sieht, die einen Schofar blasen, kann neben der Möglichkeit von rein rituell-spirituellen Zwecken immer auch Schlimmeres die Ursache sein: Die Person hat starke Vorstellungen über magische Dinge, hofft auf Wunder, die ihr allmächtiger und allwissender Gott nur bewirken kann, wenn man ein Widderhorn geblasen hat, oder phantasiert einen spirituellen Kampf zwischen bösen Dämonen und guten GöttInnen herbei, der – wie wir aus den USA wissen – auch in reale Gewalt umschlagen kann, wenn die Christen sich stark und zahlreich genug fühlen: Etwas, wovor wir Österreich derzeit keine Angst haben müssen. Die Evangelikalen, die Derartiges glauben, sind aktuell eine verschwindend kleine Gruppe.
Im Podcast haben wir einen Aspekt der von Kardinal Schönborn aufgeworfenen
Hypothese, in der Natur seien Ergebnisse eines Designprozesses beobachtbar,
nicht behandelt: Nämlich die Tatsache, dass das Design
in vielen Fällen
stümperhaft ist.
Die christliche Wunschvorstellung von einem perfekten Schöpfer würde
implizieren, dass eine gute und elegante Lösung für ein Problem (eben Design)
überall angewendet wird, wo dieses Problem auftritt. Wenn ein perfektes Auge,
ein perfektes Knie, ein vollkommenes Reproduktionssystem designt
wurde,
wird dieses überall eingebaut.
Doch weit gefehlt. Unsere menschlichen Organe sind zwar sehr komplex und ganz gut an ihre Zwecke angepasst, aber im direkten Vergleich losen wir gegen Oktopus, Ratte und viele andere Tiere, bei denen die selben Organe sich wesentlich nützlicher ausgebildet haben, ab. Unser Auge hat den dümmstmöglichen Aufbau (so als würde man in eine Kamera noch Kabel vor die Linse bauen), und unser Reproduktionsprozess ist lebensgefährlich und funktioniert in einem erschreckend hohen Anteil der Fälle gar nicht. Der Blinddarm hat keine Funktion, kann uns aber umbringen, wenn wir nicht schnell genug moderne Medizin anwenden.
The Thinking Atheist
Seth Andrews hat gerade eine sehr gute
Podcast-Folge
mit einer Biologin zu diesem Thema, mit unzähligen Beispielen, warum die
Annahme, ein Gott hätte Tiere und den Menschen designt
, ebendiesen in ein
ziemlich schlechtes Licht rückt. Betreibt jemand, der seinem Gott vorwirft,
diese falschen Designs in seine Lieblingsspezies eingebaut zu haben, obwohl viel
bessere zur Verfügung gestanden wären, damit etwa Blasphemie? Wer Herrn
Schönborn in nächster Zeit sieht, könnte ihn fragen, was er dazu meint.
YOUhat einen kurzen Artikel mit
5 Argumenten für den Glaubenpubliziert. Wer ist YOU überhaupt, und sind es brauchbare Argumente?
Das Magazin ist mit der Themenauswahl und der Aufmachung offensichtlich an Jugendliche gerichtet. Es gibt eine Print-Version und den Online-Auftritt, wo das Printmedium abonniert oder online gelesen werden kann, zusätzlich gibt blog-artige Artikel auf der Homepage.
Herausgeber ist ein YOU! Verein: Jugendverein für christlich/katholische
Werte
. An der Adresse ist sonst die Katholische Hochschulgemeinde zu finden.
Das Magazin versucht, das Römisch-Katholische eher im Hintergrund zu halten, und
allgemein christlich
zu wirken – die MacherInnen werden schon wissen,
warum. So gibt es zum Beispiel ein Interview mit einer Influencerin, die sich
mit 16 bewusst
taufen hat lassen. Für so etwas hat die katholische Kirche
vor einigen hundert Jahren noch Morde verübt – das thematisiert die
Interviewerin aber überhaupt nicht.
Also, was sind die 5 Argumente für den
Glauben
?
Wir wollen dir hier 5 Argumente geben, die du selber reflektieren oder in einer Diskussion mit anderen zum Überlegen bringen kannst.
… beginnt der Artikel. Ich schätze mal, dass jene, die darüber wirklich reflektieren, sich davor hüten werden, diese Argumente in einer Diskussion zu bringen.
1. Ist es wahr oder nicht?
Der eigentliche Grund, an Gott zu glauben, ist nicht, weil es mir dann besser geht oder weil ich dann „ein besserer Mensch“ bin. Letztlich geht’s einfach darum, ob es wahr ist oder nicht. Wenn die Sache mit Gott nicht wahr ist, dann bitte tu’s nicht. Wenn es aber wahr ist, dass Gott hinter allen Dingen steht, dann ist es unvernünftig, so zu leben, als würde es Gott nicht geben.
Sehr vernünftig. Hier würden wir jetzt auf einer christlichen Webseite erwarten, Argumente für die Wahrheit der Erzählung über die GöttInnen der römisch-katholischen Mythologie zu lesen. Aber das passiert nicht.
Wahr ist etwas, dessen Wahr-Sein gezeigt, erklärt, argumentiert, belegt werden kann. Reine Behauptungen ohne diese Elemente können nicht einmal den Anspruch auf Wahrheit erheben.
Das ist also nur für jene ein Argument, die keine Argumente mehr brauchen.
2. Ohne Gott gibt's keinen Sinn
Es gibt nur 2 Alternativen: Entweder steht hinter unserem Sein ein Schöpfer, der sich etwas dabei gedacht hat, oder es ist alles reiner Zufall. Aus Zufall gibt es aber keinen Sinn, denn Sinn ist kommt genau daraus, dass es einen Plan und ein Ziel von einer Sache gibt. Niemand kann aber leugnen, dass es so etwas wie Sinn in unserer Welt gibt.
Sehr unvernünftig. Das sind nicht die einzigen Alternativen. Die Entstehung unseres Planeten und die Entwicklung von den Einzellern zum Homo Sapiens sind sehr gut untersucht. Die aktuell offenen Fragen sind tatsächlich nur mehr, wie es zur Singularität, aus dem unser Universum hervorgegangen ist, gekommen ist, und welche von den verschiedenen gut untersuchten Vorgängen konkret zur Entwicklung von organischen Molekülen, Ribonukleinsäuren und DNS, also den Komponenten des Lebens, geführt haben.
Dem steht ein Schöpfungsmythos entgegen, dessen überprüfbare Aspekte allesamt widerlegt sind. Dass der Rest der Erzählung aus jener Quelle, die permanent an der Beschreibung der Realität scheitert, richtig sein könnte, ist eine absurde Annahme.
Wer die Entwicklung zum Menschen als reiner Zufall
bezeichnet, hat Zufall
und Wahrscheinlichkeitsrechnung nicht verstanden. Dass die Evolution langfristig
besser an ihre Umgebung angepasste Spezies hervorbringt, ist das genaue
Gegenteil von Zufall. Es ist wahrscheinlicher, dass besser angepasste Individuen
sich fortpflanzen können, somit tritt die Entwicklung in einer ausreichend großen
Population zwangsläufig auf.
Die falsche Dichotomie (die Lüge, dass es nur diese beiden Möglichkeiten gibt)
können wir also auflösen. Bei entsprechenden Bedingungen, auf einem Planeten
eines stabilen Sterns in einer halbwegs stabilen Umlaufbahn und mit den
geeigneten Voraussetzungen entwickelt sich irgendwann Leben. Dieses Leben hat
dann das Potenzial, eine intelligente Spezies (ohne das über alle Individuen der
Spezies Homo Sapiens behaupten zu wollen) hervorzubringen. Weder Schöpfer
noch reiner Zufall
sind notwendig, beide Erklärungen sind falsch und es
ist dumm, sie als einzige Alternativen zu betrachten.
Damit ergibt der Wortsalat nach dieser falschen Prämisse auch keinen Sinn.
Wenn religiöse Menschen versuchen, mit dem Sinn
zu argumentieren, hüten
sie sich davor, ihn zu definieren. Die Bedeutung, die sie versuchen anzudeuten,
nämlich ein übergreifender, von außen vorgegebener Sinn
fürs ganze Leben
ist keine sinnvolle Vorstellung – und auch keine attraktive. Konkrete
Handlungen können Sinn ergeben, man kann – aber muss nicht – für eine
Lebensphase einen Sinn für sich suchen, oder sich auch für einen eigenen
Lebenssinn entscheiden. Aber es ist immer eine eigene Entscheidung, schließlich
gibt es keinen Gott, der wahrnehmbar mit Menschen kommunizieren würde.
Also Sinn gibt es, komplett unabhängig von GöttInnen. Sätze können schon Sinn
ergeben – aber nicht zwangsläufig, wie zum Beispiel dieses Argument von YOU.
Die Prämisse ist falsch, somit kann Sinn
kein zwingendes Argument für
Gott
sein.
3. Glauben ist eine Antwort
Glauben ist nicht ein Lifestyle, etwas, das ich mir aussuche oder ich erfinde. Glauben ist eine Antwort auf etwas, was ich vorfinde. Ich finde mich vor – als Mensch auf dieser Welt – ich habe mir das Leben nicht selbst gegeben. Glauben ist einfach die Antwort, wenn ich erfahre, dass ich existiere, weil ich von diesem Gott geliebt bin.
In Punkt 1 wurde richtigerweise vorgeschlagen, nur an Gott zu glauben, wenn es ihn gibt. Die Argumentation können wir hier schrittweise durchgehen. Eine vereinfachte Version von cogito ergo sum (ich denke, also bin ich), in Ordnung. Wir existieren. Wir haben uns das Leben auch nicht selbst gegeben, das haben unsere Eltern für uns übernommen. Der letzte Satz ist aber kein Argument, sondern wieder eine Behauptung, und wie die anderen Behauptungen, in denen Gott vorkommt, falsch. Insgesamt gesehen beschreibt dieser Absatz also, dass Glauben die Folge einer Falschdarstellung ist – eloquent beschrieben, YOU-Magazin!
Wenn es so wäre, dass man existiert, weil man von diesem Gott geliebt
ist, dann wäre die Argumentation sinnvoll. Aber das ist ja genau nicht der Fall.
Wir existieren, weil unsere Eltern uns gezeugt und großgezogen haben. Dieses
Argument
ist so hanebüchen, es verwundert wirklich, dass es den anonymen
AutorInnen nicht peinlich ist, so etwas hinzuschreiben. Wen wollen sie damit
überzeugen? Ist der römisch-katholische Glaube nur für dumme Menschen geeignet?
4. Glauben ist vertrauen
Glauben heißt nicht deswegen glauben, weil man es nicht beweisen kann. Sondern weil es ein „Ich glaube dir“ ist. Glauben ist eine Beziehung zu einer Person, zu Gott, den ich immer mehr kennenlernen kann. Und je mehr ich ihn kennenlerne, desto mehr lerne ich zu glauben, weil ich die Erfahrung mache, dass ich ihm vertrauen kann.
Doch, Glauben bezieht sich auf Dinge, die man (im Moment oder auch länger) nicht
beweisen kann. Auch im Kontext Ich glaube dir
. Sonst heißt es Ich
weiß
.
Gott, den ich immer mehr kennenlernen kann
– das wiederum kann man nur
glauben, nicht beweisen. Viele, viele gläubige Menschen haben ihren im
Kindesalter indoktrinierten Glauben genau deswegen verloren, weil sie gemerkt
haben, dass dieser erfundene Gott nicht antwortet und somit auch nicht dem
Kennenlernen zugänglich ist.
Kein religiöser Mensch, der der Lüge aufsitzt, dass man durch Gebet immer
bekommt, was man möchte (Mark
11:24), kann dieses
Vertrauen
ernsthaft aufbauen. Die Gottesvorstellung hilft im Alltagsleben
so wenig, dass ein empfundenes Vertrauen
einer psychischen Störung
gleichkommt.
5. Man kann’s erfahren
Man könnte auch von der Existenz Gottes überzeugt sein, ohne dass man sein Leben nach ihm ausrichtet. Erst wenn man die Erfahrung gemacht hat, dass Gott mich in meinem Herzen wirklich erfüllt, werde ich das tun. Wer mit Gott zu leben beginnt, macht aber die Erfahrung, dass Gott Ängste und Schuldgefühle wegnimmt und dass er echte Freude und inneren Frieden schenkt.
Hallo, habt ihr den Anfang gelesen? Man soll nur glauben, wenn es wahr ist. So schnell vergesst ihr?
Um mit Gott zu leben
zu beginnen, muss man schon sehr fest daran glauben.
Ähnlich fest, wie die AnhängerInnen anderer GöttInnen an die ihren glauben. Was
jeden Exklusivitätsanspruch, ein wesentliches Merkmal der christlichen
Götter-Erzählung, widerlegt.
Man muss sehr stark indoktriniert sein, um sich im Herzen wirklich
erfüllt
zu fühlen, die Erfahrung
zu machen, dass GöttInnen echte
Freude
schenken. Die meisten Religionen sind ja nicht dafür förderlich,
Freude zu empfinden, im Gegenteil. Die Realität der römisch-katholischen
Religionsausübung sind fade Gottesdienste mit unmotivierten Priestern in leeren
Kirchen und Einschränkungen der persönlicher Freiheit. Wer mag, soll das gerne
machen, aber für die Mehrheit ist das nichts.
Argument 5 argumentiert schon gar nicht mehr für den Glauben. Es geht davon aus, dass man diesen Glauben hat, und macht falsche Versprechungen für diese Situation.
Insgesamt ein sehr schwacher Artikel. Die Argumente
sind zwar nicht nur die,
die man immer wieder hört, dafür aber auch schlecht durchdacht und vorgebracht.
Es ist eine absurde Vorstellung der RedakteurInnen, damit Jugendliche erreichen
und zum Glauben bekehren zu können. Eine Minderheit der Jugendlichen ist noch
gläubig, die werden die Argumente aber auch großteils nicht nachvollziehen
können; die Mehrheit interessiert sich wiederum nicht für so abstrakte und
leicht widerlegte Argumente
in einer Zeitschrift, die so offensichtlich
monothematisch und missionierend wirkt.
erstenReaktionen (natürlich wissen sie es längst, sie bekommen ja monatlich Zahlen) war, dass die Kirche wieder mehr auf Menschen zugehen müsse, um ihnen mehr über Jesus zu erzählen. So, als hätten sie ein attraktives Produkt, nur hätten sie vergessen, dieses auch richtig zu bewerben.
Diese Aussage hören wir regelmäßig. Auf andere zuzugehen
ist als
Missionierungsauftrag biblisch. Wir verbinden aber typischerweise nicht mehr
die katholische Kirche damit, sondern eher noch unangenehmere Sekten wie die
Mormonen oder die Zeugen Jehovas. Nein, die Bischöfe werden sich nicht in die
Fußgängerzone stellen und Leute anreden, ob sie vielleicht etwas über ihren
unsichtbaren Freund hören wollen, und sie werden auch die verbliebenen
PfarrgemeinderätInnen nicht auf diese Weise verbrauchen. Sie werden eher für
die Bekehrung der Menschen beten (so wie für die Einheit der
Christen oder
gegen Corona) und weiter ihre Rituale veranstalten. Ein Jahr später nach neuen
Rekordzahlen kommt dann wieder das öffentliche Wundern.
Aber analysieren wir diese Aussage einmal systematisch. Sie beinhaltet die Annahme, dass die Kirche eigentlich nichts falsch macht, sondern nur zu wenig oder in ungenügender Weise darüber erzählt. In der Wirtschaft bezeichnet man diesen Themenkreis als Marketing.
Marketing beinhaltet das Produkt selbst und die Kommunikation darüber. Ein konkurrenzfähiges, attraktives Produkt anzubieten ist genauso wichtig wie eine gute Werbung dafür, gute Public Relations fürs Unternehmen, und die Analyse aller zur Verfügung stehenden Daten.
Wenn alles gut läuft, sind die KundInnen so vom Produkt überzeugt, dass sie daran glauben. Sie wollen es haben. Sie brauchen keine Argumente mehr dafür, und akzeptieren keine dagegen. Sie vergleichen nicht die technischen Daten mit denen der Konkurrenzprodukte und verhandeln nicht über den Preis. Es muss für sie dieses eine Produkt von dieser Marke sein, auch wenn es viel kostet. In dieser Situation sahen sich lange Zeit diverse Kirchen, je nach historischer Entwicklung der Region unterschiedliche. Monopolanbieter mit einem verpflichtenden Produkt zu sein ist wirtschaftlich sehr-sehr nützlich.
Mitgliedschaft in der katholischen Kirche
Da alle Nachrichten die Rekord-Anzahl der Austritte nannten und auch die
Aussagen der Bischöfe (O-Ton: Jeder Austritt schmerzt) sich darauf bezogen, ist
es relativ klar, dass die Anzahl der Mitglieder die wichtigste Kennzahl, das
Ziel der Bemühungen der Organisation ist. Es wurde nicht über die von diesen
Mitgliedern
bezogenen Leistungen gesprochen, die meisten von ihnen nehmen
ja nichts davon in Anspruch. Sie zahlen aber jährlich mehr als ein Prozent ihres
Einkommens ein. Unbestreitbar hängen die finanziellen Ziele der Organisation an
diesem Produkt Mitgliedschaft
.
Wie wird man Mitglied der katholischen Kirche, erwirbt
also das Produkt?
Die meisten Mitglieder haben das nicht selbst entschieden. Sie wurden von ihren
Eltern als Säugling katholisch getauft und kamen dadurch in die
Mitgliederdatenbank. Zu ihrem 18. Geburtstag bekommen sie von der Kirche die
gebührende Anerkennung als BeitragszahlerIn, und zwar unabhängig davon, ob sie
die ihnen aufgedrängte Zeremonie Firmung
(Konfirmation, Bestätigung)
durchgeführt haben, um damit ihren Zugehörigkeitswillen auszudrücken. Soweit
wohl bekannt.
Die Kündigung dieses gar nicht geschlossenen Vertrages erfordert Aufwand. Auch wenn es heutzutage ziemlich einfach ist und schnell geht, muss man doch etwas dafür tun. Die Kirchen erhalten die Daten der Ausgetretenen aus dem staatlichen Meldewesen und hören auf, Erlagscheine zu schicken oder den Kirchenbeitrag vom Konto einzuziehen.
Wir kennen also die Kosten des Produkts. Was sind die Vorteile davon? Man ist als Mitglied berechtigt, gegen einen kleinen zusätzlichen Obulus kirchliche Feiern wie Trauung oder Bestattung für sich oder andere zu organisieren, oder an der gegen andere Menschen gerichteten Mitgliederwerbung als Tauf- oder FirmpatIn teilzunehmen. Sonst: Nichts. Weder wird man vom Gottesdienst ausgeschlossen, noch darf man nicht mehr an Jesus und die Lehren der Kirche glauben. Als ehrenamtliche/r MitarbeiterIn ist man sowieso willkommen.
Solange man dabei ist, vermeidet man auch negative berufliche Konsequenzen, wenn man in einem kirchlich dominierten Betrieb arbeitet. Und in manchen gesellschaftlichen Milieus ist die Mitgliedschaft in der richtigen Religionsgemeinschaft auch Voraussetzung fürs Dazugehören. Das sind jetzt nicht unbedingt Vorteile, sondern eine Art Versicherung gegen unerwünschte Ereignisse, die kausal mit der katholischen Kirche zusammenhängen. (Achtung, Vergleiche mit weiter südlich in Italien beheimateten Organisationen sind juristisch riskant.)
Ist das Produkt gut? Und wenn ja, was daran? Es ist schwer, dazu klare Informationen zu erhalten. Die zentralen Glaubensinhalte, die Grundlage ihrer eigenen Existenz kann die Kirche nach fast 2000 Jahren noch nicht einmal belegen.
Dabei wäre, wenn es einen allmächtigen Schöpfer des Universums gäbe, der unser Verhalten ständig beurteilt, das DIE zentrale Frage des menschlichen Lebens. Religion wäre kein peinliches Thema, das die meisten Leute, selbst Kirchenmitglieder, lieber vermeiden.
Eine Webseite vom Medienreferat der Österreichischen Bischofskonferenz versucht
zu erklären, Was Kirche bringt
.
Die Kirche ist eine starke Gemeinschaft mit einer langen, bis heute reichen und starken Tradition. Mit 5,4 Millionen Mitgliedern und über 3.000 Pfarren allein in Österreich bildet sie ein dichtes Netz der Solidarität - und sie ist damit zugleich auch einer der größten Arbeitgeber im Land.
OK, das ist für eine Einleitung nicht schlecht. Die 5,4 Millionen Mitglieder sind zwar eine sehr veraltete Information, es sind 4,7 Millionen und jedes Jahr weniger. Die Organisation schreibt gute Dinge über sich selbst. Aber was bringt die Mitgliedschaft in der Kirche?
Diese Frage stellen heute viele Menschen in der Überzeugung, die katholische Kirche in ihrem Leben nicht zu brauchen. Kirche ist tatsächlich heute für viele Menschen eine Institution, weit weg von ihrer eigenen Lebenswelt.
Ehrlich und nachvollziehbar.
Und doch: Diese Kirche mit ihrem Auftrag, die Botschaft vom Reich Gottes zu verkünden, diese Kirche, die so viel sehr weltliches Engagement bei ihren Mitgliedern weckt, diese Kirche hat viele positive Auswirkungen auf die ganze Gesellschaft - auf Glaubende wie auf Nicht-Glaubende.
Die Kirche hat also einen Auftrag. Das betrifft das Einzelmitglied nicht,
verursacht nur Aufwand. Die Kirche weckt weltliches Engagement bei ihren
Mitgliedern
. Also Motivation zur unentgeltlichen Mitarbeit? Das geht auch
ohne Kirche.
Die behaupteten positiven Auswirkungen können die Nicht-Glaubenden nicht nachvollziehen. Im Gegenteil. Sie sehen viel Schädliches im Wirken der Kirche. An erfundene Sachen zu glauben schädigt die Betroffenen selbst und die Gemeinschaft. Staatliche Zahlungen an Kirchen binden Mittel, die an anderer Stelle besser eingesetzt wären. Konfessioneller Religionsunterricht trennt die Kinder in Gruppen auf, in denen erzählt wird, sie hätten die richtigen und die anderen die falschen Ansichten über unsichtbare Freunde. Ohne ihren Fahnenträger hätten es alle, die in Österreich die Volksverblödung betreiben, wesentlich schwerer.
Was sind eigentlich die Vorteile (?) der unentgeltlichen Mitarbeit? Die erste Möglichkeit im Leben, für die Kirche zu arbeiten, ist als MinistrantIn. Aus Ländern, die den katholischen Kindesmissbrauch aufgearbeitet haben (Österreich gehört leider nicht dazu), wissen wir, dass etwa fünf Prozent der Priester sexuelle Gewalt an Minderjährigen begangen haben. Es gibt also ganz gute Chancen, nicht von einer Respektsperson vergewaltigt zu werden.
Später, als Jugendliche/r kann man die musikalischen Fähigkeiten ausleben, bevorzugt am Sonntagmorgen nach einer kurzen Nacht nach dem samstäglichen Fortgehen. Man kann auch im Pfarrgemeinderat erste Erfahrungen in einem Gremium sammeln, das die Bespaßung der Gemeinde organisieren und dem Pfarrer Arbeit abnehmen kann, aber die relevanten Fragen nicht mit entscheiden darf.
Dies zeigt sich besonders dort, wo Staat und Kirche zum Wohl der Menschen kooperieren - etwa in den Bereichen Bildung, Soziales, Kultur und Gemeinschaft. Seien es die zahlreichen katholischen Schulen und Kindertagesstätten, das dichte Netz sozialer und karitativer Dienste für bedürftige Menschen,
Ah, die Kooperation! Diese Kooperation kennen wir. Die Kirche organisiert etwas,
legt die Regeln dafür fest, und der Staat finanziert. In vielen Gebieten ist
die beste
Schule, oder das einzige Gymnasium eine kirchliche
Privatschule. Sie kann dann schon einmal festlegen, dass die Abmeldung vom
katholischen Religionsunterricht gleichbedeutend mit der Abmeldung von der
Schule ist. Es ist sehr schwer, das anders als Zwang eines Monopolisten zu
bezeichnen. Ebenso in Krankenhäusern. Schwangerschaftsabbruch? Künstliche
Befruchtung? Pränataldiagnostik? Nicht im katholischen Haus der
Barmherzigkeit
, also nicht in diesem Bundesland.
Wenn jedes Jahr zwei Prozent der Mitglieder wegbrechen, ist abzusehen, dass das nicht ganz dichte Netz Löcher bekommt. Soziales Engagement, und noch wichtiger, garantierte staatliche Mittel für die Unterstützung der Schwachen in der Gesellschaft sollten unabhängig von dieser frei erfundenen, mit sozialem Halb-Zwang verbundenen Grundlage sein. Das wäre wirklich nützlich.
der große Schatz kultureller Güter und Angebote oder das hohe Maß ehrenamtlichen Engagements: Kirche ist dort, wo Menschen leben und im Interesse des Gemeinwohls handeln. Daher bringt Kirche immer auch jenen etwas, die nicht “dabei sind”.
Kulturelle Güter und Angebote? Als lebenslang säkularer Mensch habe ich im kulturellen Bereich immer etwas für mich gefunden, was unabhängig von einer Kirche war. Wenn ich aus Höflichkeit zu Weihnachtskonzerten in Kirchen gehe, stelle ich jedes Mal fest, dass diese im Dezember keine für Menschen geeigneten Orte sind. Die Kirche bringt denen, die nicht dabei sind, Argumente in erster Linie gegen sie.
Die größten Schätze der Kirche, so etwas wie Jesus' Vorhaut Nummer 17 und kleiner Zeh 33, interessieren mich und die meisten Menschen seit der Aufklärung nicht so sehr.
Die Kirche ist immer weniger dort, wo Menschen leben
. In Wien ist die
Hälfte der Bevölkerung konfessionsfrei, und die gläubigen Menschen verteilen
sich ebenda auf die meisten Bekenntnisse. Menschen im Interesse des Gemeinwohls
für sich zu reklamieren ist eine dreiste Lüge, die die Tätigkeit in jedem nicht
katholischen Verein negiert. Unterste Schublade und ein leicht entlarvter
Manipulationsversuch.
Die Kirche besteht aus Menschen und hat daher auch Schattenseiten, wie die Missbrauchsfälle gezeigt haben. Trotzdem gibt die Kirche mit ihren vielfältigen Leistungen ein Zeugnis der Gegenwart des liebenden Gottes.
Das Problem mit dieser Behauptung ist, dass die katholische Kirche exakt
diejenige ist, die lehrt, dass die Kirchenmänner
spezielle Kommunikation
von ihren Göttern empfangen und dadurch besonders tugendhaft seien. Deswegen
war der Schock so groß, als nach langer Duldung der Verbrechen und Unterdrückung
der Information darüber seitens der Kirche herauskam, dass diese
geweihten
, über den normalen Gläubigen stehenden Männer die Kinder
missbraucht haben. Nicht die ehrenamtlichen MitarbeiterInnen. Nicht die
Freiwilligen.
Die vielfältigen Leistungen entpuppen sich bei näherem Hinsehen als genauso frei
erfunden und herbeigeredet wie ein Zeugnis der Gegenwart
des
unsichtbaren, nicht mit der Welt interagierenden, von Menschen erfundenen
Gottes.
Eine Information fehlt von der Kirchen-Seite Was Kirche bringt
: Was die
Kirche ihren Mitgliedern bringt. Bisher haben wir nur Kosten und den Aufruf zur
unentgeltlichen Mitarbeit gesehen, natürlich so, dass die Lorbeeren dafür der
Kirche zugerechnet werden. Wohlgemerkt, dieses Engagement wird ohne
Mitgliedschaft auch gern angenommen. Ein gewisses Risiko von sexuellem
Missbrauch müssen die Mitglieder leider in Kauf nehmen, Gottes speziell geweihte
Männer sind auch nur ganz normale Menschen, bis auf ein überdurchschnittliches
Risiko für Sexualstraftaten an Minderjährigen. Und man darf sich weiter zu
einer Gemeinschaft bekennen, die dieses klitzekleine Wutziproblem noch nicht
aufgearbeitet hat, aber andere darüber belehren
will (Achtung, der Link geht zu kath.net, das
selbst der katholischen Kirche zu extrem ist).
Es gibt auf katholisch.at weitere Seiten, die die wirtschaftliche Tätigkeit der
Kirche beschreiben, immer mit dem fremdfinanzierten, aber für sich reklamierten
Vorteil
für die Gesellschaft im Vordergrund. Auch diese erklären nicht,
warum die Mitgliedschaft für den Einzelnen vorteilhaft wäre. Im Gegenteil: Der
Wert der Gratis-Arbeit der Mitglieder wird in eigenartiger Weise mit
zwischen 540 und 400 Millionen
Euro
beziffert. Das sind dann die Leistungen der Kirche fürs Gemeinwesen
.
Noch immer keine Information, die die Vorteile der Mitgliedschaft beschriebe.
Und all diese Dinge gibt es auch anderswo. Wer dieselbe hochkomplexe und
unbelegte Sammlung von Behauptungen, aber mit verheirateten PriesterInnen
und ohne Unfehlbarkeit des alten Mannes im weißen Kleid glauben möchte, kann die
altkatholische Kirche wählen. Es gibt aber auch eine große Bandbreite bei den
Varianten der Sammlung von Behauptungen. Weniger Marienverehrung, mehr
Kein-Sex-vor-der-Ehe? Nichts leichter als das. In den meisten Fällen ohne
Pflichtbeiträge, aber je freier
sich die Gemeinde bezeichnet, desto mehr
Kontrolle übers Leben der Mitglieder will sie ausüben, und um so mehr nähern
sich die freiwilligen
Gaben dem Zehnten
an.
Es zeichnet sich nicht ab, dass Menschen die katholische Kirche wegen kleiner Details der Glaubenssätze verlassen. Die 90.000 im Jahr 2022 Ausgetretenen und jene, die ihnen täglich folgen, wollen nicht die selbe katholische Kirche, nur bitte mit Priesterinnen. Nein, die wollen weg vom Christentum. Sie wechseln weder zu den Altkatholiken, noch tragen sie ihren Protest zu den Protestanten, und frei-christlich machen sie sich auch nicht. Das Produkt bringt ihnen nichts, und die vagen Versprechen auf die Möglichkeit von Reformen, die aus der Zentrale zuerst organisiert und dann gleich abgedreht werden, geben ihnen auch keinen positiven Ausblick.
Das Produkt ist schlecht. Ein Unternehmen, das sich selbst gegenüber ehrlich ist, findet so etwas früher oder später heraus. Die katholische Kirche hat aber eingebaute Mechanismen, um nie zu diesem Ergebnis gelangen zu müssen. Sie hat ja die Wahrheit. Lehre und Praxis sind unveränderbar, die Welt muss sich anpassen.
Die Besatzung der Kathitanic gibt noch im Rettungsboot Zeugnis
,
dass das Schiff unsinkbar und relativ stabil
sei und sogar jene, die
gar nicht eingestiegen sind, sicher über den Ozean bringe. Es ist wahrlich eine
göttliche
Komödie.
Anfang 2022 war das Eintreten der Kirche für die Corona-Impfung
, mit
Impfstrasse im Stephansdom, die dominierende Erklärung für die bis dahin
zweithöchsten Austrittszahlen. Eine rationale Entscheidung kann und darf der
Austritt ja nicht sein. Die Distanz zur Kirche, die in der Corona-Zeit
entstanden sein soll, kam heuer als Erklärungsversuch vor. Dabei haben die
TheologInnen am Anfang der Pandemie, ganz ohne Daten, wiederholt davon
gesprochen, dass solche Krisen zu einer wachsenden Religiosität und Sinnsuche
führten, die die Kirche am besten befriedigen könne. Davon hören wir nach drei
aufeinanderfolgenden Jahren mit dem höchsten prozentualen Mitgliederverlust der
katholischen Kirche nichts mehr.
Näher dran sind (fallweise)
TheologInnen wie Prof. Paul Zulehner, die – dann aber schon ohne
Medienaufmerksamkeit – erklären, dass die Zeit des
Gewohnheitschristentums
vorbei und die Zugehörigkeit nicht mehr
Schicksal
, sondern Entscheidung sei. Ein Konzept, das die katholische
Kirche über einen großen Teil ihrer Geschichte mit blutiger Gewalt bekämpft hat.
Sie wird lang brauchen, um sich auf diese neue Situation einzustellen.
Die Abwendung von organisierter Religion ist ein Phänomen in allen demokratischen Ländern mit guter Bildung. Das Kernproblem der Religionen ist, dass Bildung und freier Meinungsaustausch implausible Behauptungen in den Hintergrund und die sichtbaren negativen Auswirkungen in den Vordergrund schieben. Unterm Strich folgt der Austritt, wo der überhaupt notwendig ist, und das Fernbleiben von allem, was religiös ist. Und sobald die Familien die Kinder nicht mehr selbst indoktrinieren oder zur den Indoktrinierern schicken, ist es aus. Nicht getaufte Kinder gehen nicht automatisch in den Religionsunterricht und werden nicht zu BeitragszahlerInnen wider Willen. Religion wird zum Hobby alter Menschen, die sich darüber wundern, dass es sinnvolles Leben, Engagement und eine glückliche Gesellschaft doch auch ohne Religion gibt.
]]>Kindin der Familie. Zusammen mit Hanna (Macherin des Athikan-Youtube-Kanals), Din und Niko haben wir erste Folgen gescriptet, aufgenommen und geschnitten. Somit konnte der Radio-Athikan-Podcast starten. Zwei Folgen sind bereits online, die dritte im Kasten.
In der ersten Folge, die wir als nullte
bezeichnen, stellen wir uns kurz vor und diskutieren über mögliche Namen für den Podcast.
Folge 1 besteht aus Nachrichten und der Diskussion darüber, und dem ersten Interview mit der Tierärztin Dr. Stefanie Handl über Falschinformationen in der Tiermedizin und ihre Tätigkeit in der skeptischen Szene.
So ähnlich wollen wir das Format auch weiterführen, auch wenn es nicht immer ein Interview geben wird.
Wir treten mit dem Podcast in große Fußstapfen. Man Glaubt Es Nicht und der Ketzerpodcast sind im deutschen Sprachraum die Vorbilder, sie machen regelmäßig vor, wie Nachrichten aus der Welt der Religion und ihrer Interaktion mit der Gesellschaft, vertiefende Themendarstellungen und unterhaltsame Elemente zu informativen Podcasts, die man gerne hört, zusammengestellt werden können. Wir eifern ihnen definitiv nach, aber mit einem Fokus auf Österreich und einer Erweiterung in die skeptische Szene.
Währenddessen hat Marc von Answers Without Questions eine schöne Seite athikan.de gestaltet, die auf seine Angebote und auch den österreichischen Athikan sowie den Podcast verweist.
]]>Religiöse Vorstellungen – eine weitere Eigenschaft, die andere Tiere nicht in diesem Ausmaß besitzen – können Menschen in diesem Bereich große Streiche spielen und sie zu wirklich seltsamen Aussagen verleiten.
Der Ökumeniker
Wolfgang Thönissen informiert
uns:
Waffen segnen und einen Angriffskrieg unterstützen, kann ich beim besten
Willen nicht für eine
mögliche christliche Position halten
. Er meint also, trotz aktiver
Anstrengungen sei es ihm nicht möglich, sich vorzustellen, dass Berufschristen
diese Positionen hätten und danach handeln könnten. Das ist eine beeindruckende
Bewerbung für die kein wahrer
Schotte
-Weltmeisterschaften.
(Was er sich nicht nur vorstellen kann, sondern woran er ganz fest glaubt, wissen wir auch: Biologisch, physikalisch, geologisch, chemisch, historisch und logisch unmögliche, fiktive Ereignisse und Eigenschaften eines unsichtbaren Wesens, das in seiner Allmacht nur eines nicht kann: Mit der Welt interagieren.)
Eine wirklich bizarre Denkblockade in seinem Kopf, weil das nicht nur leicht
vorstellbar, sondern bestens
belegt ist. Waffen segnen
christliche
Pfarrer
aller
Konfessionen
in allen
Kriegen
auf allen Seiten. Auch
heute.
Sie beten für den Erfolg des Angriffskrieges,
stellen den Soldaten der eigenen Seite die
Vergebung aller
Sünden
in Aussicht, sprechen von heiligen
Kriegen
und nennen die andere Seite dämonisch
und
Antichrist
.
Viele dieser Beispiele kommen nicht aus dem katholischen
Realitätsverzerrungsfeld, sondern von anderen Abspaltungen von Abspaltungen.
Und gerade ein Ökumeniker
hat seinen Beruf verfehlt, wenn er das nicht
weiß.
Menschen, die an komplett unbelegte und implausible Fantasiegebilde fest
glauben, aber das, was offensichtlich wahr ist, sich nicht einmal vorstellen
können: Es ist schwer, diese kognitiven Defizite ohne den Einfluss einer
Religion zu entwickeln. Ohne die Ausrede Religion
wären solche Menschen
ein Fall für die Psychiatrie.
Mit politischer Macht verbrüderte Staatskirchen sind einerseits anfällig für
schädliche Einflüsse der Politik, andererseits aber auch Stichwortgeber und
Apologeten für Gewalt und Ausgrenzung. Religion war sehr häufig primäre oder
sekundäre Ursache von Kriegen. Sie hilft, Menschen zu anderen
zu erklären
und sie damit zu legitimen Zielen der eigenen Waffen zu machen.
Jene, die das nicht verstehen, weil sie noch nicht einmal erkannt haben, dass
ihre komplexen und in sich widersprüchlichen Lehren alles und sein Gegenteil
belegen
können, sitzen in Führungspositionen ihrer religiösen Gruppen. So
entstehen Schlagzeilen wie Indonesien setzt auf Religionen zur Lösung von
Konflikten
.
Als ob das jemals funktioniert hätte.
Aus dem Artikel: Religiöse Führer sollten den Glauben zu einer Quelle für den
Weltfrieden machen.
Sie hatten die letzten zweitausend Jahre dafür. Eine
bizarre Mischung aus Selbstüberschätzung und Verleugnung der eigenen Geschichte.
Zu den eingeladenen Organisationen gehörten die katholische Kirche, die anglikanische Kirche, die World Evangelical Alliance, die World Muslim League und zur Überraschung von Beobachtern auch die militante, hindu-nationalistische und paramilitärische “Rashtriya Swayamsevak Sangh” (RSS). Die RSS ist treibende Kraft von Hass und Gewalt gegen Muslime wie Christen im mehrheitlich hinduistischen Indien.
Die Evangelikalen arbeiten gerade in den USA daran, die Demokratie abzuschaffen. Die Kriminalgeschichte der katholischen Kirche ist ausführlich dokumentiert. Die muslimische Welt sollte in den nächsten Jahrzehnten glaubwürdig und aktiv daran arbeiten, ihre gewalttätigen Elemente zu besänftigen, bis dahin ist sie als Friedensbotschafter nicht wirklich glaubwürdig. Die paramilitärischen Hindu-Nationalisten nennt schon der Artikel.
Insgesamt also eine Verbindung zweifelhafter Gruppen, denen wir nicht wirklich zutrauen, Frieden zu stiften. Viel zu tief sind die frei erfundenen und fanatisch geglaubten Gräben zwischen ihnen. Nein, sie warten im Hintergrund, beten PR-wirksam, und wenn es dann soweit ist, heften sie sich alle positiven Ergebnisse auf die Fahnen. Alles Gute kommt ja vom eigenen Gott, alles Schlechte von bösen Menschen.
Wenn absurde Aussagen von Theologen und Aktionen von Gruppen mit bizarr verzerrter Selbstwahrnehmung in den christlichen Medien erscheinen, kann der Chef-Unterhalter sich auch nicht lumpen lassen.
Papst Franziskus
weilt mit hochrangigen Religionsführern
in
Bahrain (Monarchie mit Staatreligion und
Scharia-Gesetzgebung). Er nutzt sein
Privileg, um verbal für Menschenrechte und Gleichberechtigung
einzutreten – Normalbürgern, die
dort das Gleiche fordern, droht wohl Gefängnis, vielleicht auch Folter oder der
Tod.
Papst Franziskus appelliert in Bahrain weiter für die Einhaltung der Menschenrechte. Vor hochrangigen Religionsvertretern mahnte er am Freitag dabei auch die Anerkennung der Frau „in der Bildung, bei der Arbeit, bei der Ausübung ihrer sozialen und politischen Rechte“ an.
Als absolutistischer Herrscher im Vatikan könnte er natürlich mit gutem Beispiel
vorangehen. Die Europäische Menschenrechtskonvention wartet noch auf die
Ratifizierung durch den
Vatikan
(und Belarus). Und die Anerkennung der Frau bei der Arbeit
ist eine
langjährige Forderung sogar innerhalb jener Kirche, die die Priesterweihe ans
Vorhandensein eines Penisses knüpft.
Aber nein, so läuft das nicht. Religionsvertreter wollen immer nur anderen vorschreiben, was die tun sollen – für sich selbst gelten ganz andere Regeln.
Menschen und Organisationen, die an einer realitätskonformen Wahrnehmung der Welt und ihrer eigenen Positionen scheitern, demonstrieren immer wieder, wieso wir sie in der modernen demokratischen Gesellschaft nicht brauchen. Sie sind genau diejenigen, die ihren Untergang am stärksten betreiben. Wir AtheistInnen schauen amüsiert zu und bieten unsere Unterstützung an. Die Aussagen zu Ende denken reicht schon.
]]>Das Video steht seit 28. 5. 2022 auf Youtube und hat in diesem Zeitraum 215 Ansichten versammelt. Im Gegensatz zum Video aus dem Vorjahr, das praktisch nur die Predigt enthält, sieht man hier den gesamten Gottesdienst inklusive Anmoderation, Anbetungsmusik und Predigt.
Laut Youtube-Seite lautet der Titel der Predigt Mein Wohlergehen: Gottes
Anliegen, meine Verantwortung
. Da es um Verantwortung geht, habe ich diese
Predigt gewählt, auch um sie mit der vorherigen
Predigt, die ja ein
ähnliches Thema hatte, zu vergleichen.
Das Video ist die ungeschnittene Aufzeichnung einer Live-Übertragung. Deswegen dauert es bis etwa dreieinhalb Minuten, bis das Programm beginnt. Am Anfang ist die Band auf der Bühne, und eine Moderatorin. Sie heißt Margit, und ist mittlerweile ordinierte Pastorin, zum Zeitpunkt der Predigt war sie das aber noch nicht. Frauen in Leitungspositionen sind in der Life Church normal, aber das ist bei den evangelikal-baptistischen Freikirchen nicht durchgehend der Fall. Im größten Verband solcher Kirchen, der Southern Baptist Convention in den USA, gibt es – trotz Mitgliedskirchen mit Pastorinnen – starke Tendenzen, predigende Frauen abzulehnen und Frauen eine untergeordnete Rolle zuzuschreiben. Bekenntnisse, die Frauen gleiche Rechte auch in Leitungsfragen zubilligen, sind im Christentum (und in Religionen insgesamt) immer noch eine Minderheit.
Die Moderatorin hat unter anderem die Aufgabe, das Publikum auf den Gottesdienst vorzubereiten, und die ZuseherInnen aufzufordern, nicht nur ein Zehntel ihres Einkommens, sondern auch ihre Freizeit der Life Church zu widmen. Aber das kommt noch nicht. Zuerst zitiert sie Wissenschaft.
Forschungen ergeben, und das müsst ihr euch mal halten, wenn man eine gewisse Zeit lang in dieser Power-Pose steht, vermindert sich das Cortisol im Körper, Stresshormone werden abgebaut, und man ist entspannter. Power Posing. Und ich glaube, es ist kein Zufall, dass wir, wenn wir Gott anbeten, dass wir aufstehen. Dass wir nicht sitzenbleiben … sondern dass wir in unsere Power-Pose mit Gott kommen. (4:05)
Das ist nicht, was die Studie von 2010 sagt. Und sie wurde danach viel kritisiert, weil sie nicht reproduziert werden konnte. Eine Meta-Analyse (also etwas viel Aussagekräftigeres als eine einzelne Studie) fand keine Effekte. Aber wir merken uns, hier sind Studien willkommen.
Und wir sind heute hier, andere sind auf dem verlängerten Wochenende, und du denkst dir, na super, und ich bin in Wien. Ich sag dir eins, du bist am richtigen Ort zur richtigen Zeit. Und nicht nur weil es Kuchen gibt und danach noch Würstel, sondern weil Gott heute hier ist.
Eine interessante Reihenfolge. Und die Moderatorin spricht Gott heute hier
ist
in einem auffallend unsicheren Tonfall. Wahrscheinlich weil ein
anwesender
Gott nicht von einem nicht existierenden Gott unterscheidbar ist.
Lobpreis
Nach einigen weiteren Worten beginnt die Band mit der Musik. Zwei erwachsene Musiker sind im Bild zu sehen, und zwei junge Mädchen, vermutlich Schülerinnen. Ihre Motivation ist wesentlich größer als ihre gesanglichen Qualitäten, aber das Publikum steht, wippt und klatscht mit. Bei 8:42 gibt es sogar eine Aerobic-Einlage.
Das ist Worship, meist mit Lobpreis oder Anbetung übersetzt. (Aber in der Life
Church lieben sie englische Bezeichnungen.) Komplette Unterordnung in sich
wiederholenden simplen Texten, es geht um Feiern, Lieben, Loben und Anbeten von
Gott, Herr, Jesus, Heiligem Geist, König und was immer ihnen für Synonyme
einfallen. Während die Musiker mit relativ gleichgültigem, konzentrierten
Gesichtsausdruck ihre Arbeit machen, singen sich die Mädchen in eine Art Extase.
Die Musik ist poppig, nicht überkomplex, und es gibt eine große Auswahl an
Liedern, die aber alle irgendwie das selbe Thema haben: Jesusherrgottkönig
ist so super und wir
müssen das ständig wiederholen.
In den Pausen zwischen den Liedern – während die Musik aber eine einfache
Hintergrundmelodie fortsetzt – teilt die leitende Sängerin mit dem Publikum,
was sie gerade denkt, dass Gott
will. Die Lieder wechseln relativ frei
zwischen Deutsch und Englisch. Manchmal ist der Text eingeblendet, man kann also
komfortabel mitsingen, wenn man möchte.
Diese peinliche Selbsterniedrigung dauert fast zwanzig Minuten, dann kommt wieder die Moderatorin auf die Bühne und faselt mit geschlossenen Augen über die angebliche Gegenwart Gottes und heißt den heiligen Geist willkommen (28:12). Die Sängerinnen wippen mit geschlossenen Augen und geöffneten Armen hin und her und lassen – wie der Rest des Publikums – den Text auf sich wirken.
Danach sagt die Moderatorin Du darfst Platz nehmen
und beginnt schon eine
Art Vorpredigt:
Wie schön ist es zu wissen, dass wenn wir beten, irgendwas passiert. In uns passiert was, mit uns miteinander passiert was, und irgendwas passiert mit Gott. Ich finde auch, Gebet ist was Mystisches, oder? Man spricht zu Gott und dann soll was passieren? Aber es ist so. Und Paulus hat das ganz oft in seinen Briefen geschrieben, zum Beispiel in Epheser:
Betet in jeder Situation!Oder an die Philipper schreibt er:Macht euch keine Sorgen, sondern wendet euch in jeder Lage an Gott!… (29:03).
Dann zeigt sie eine Karte, auf der groß GEBET steht, und erklärt, dass man auf diesen Karten die eigenen Gebetsanliegen bekanntgeben soll. Diese Anliegen gehören zu den persönlichsten Wünschen der Menschen, und diese Gemeinde, die sie unter anderem finanziell fordert und mit erfundenen Erzählungen manipuliert, will exakt diese Wünsche einsammeln. Das halte ich für höchst problematisch. Ein verantwortungsvoller Umgang mit diesen Daten ist keineswegs sichergestellt, da Religionsgemeinschaften in solchen Dingen kaum reguliert werden. Immerhin darf man die Karte auch anonym ausfüllen.
Und eine Dankeskarte soll man auch ausfüllen, auf die man aufschreiben soll, was Gott für einen getan habe. Sie sammeln god stories.
Die Moderatorin redet und kichert und redet und kichert weiter. Jetzt kommt sie
zum wichtigen Thema, dem Geben
. In die Übertragung wird die URL zum
Spenden eingeblendet, während der Spendenkorb im Raum umgeht. Ein geschickter
Schachzug, damit nicht immer die Pastorin, der Pastor das unangenehme Thema des
Geldforderns übernehmen müssen. Es ist schon eine halbe Stunde der Übertragung
vergangen. Jetzt dürfen die Kinder, die ein Alternativprogramm bekommen, nach
vorne kommen und mit der Aufsichtsperson gehen, und langsam kommt die Predigt.
Sehr langsam. Die Moderatorin kündigt endlich die Hauptpastorin an.
Angela Gaeta betritt die Bühne. Sie ist eine geübte Rednerin, und obwohl Deutsch nicht ihre Muttersprache ist, spricht sie gut verständlich. Nur einige Eigenheiten der deutschen Sprache wie das Geschlecht von Wörtern oder komplizierte Satzstellungen kommen ihr nicht immer perfekt von den Lippen. Wenn ich sie zitiere, übertrage ich ihren gesprochenen Text möglichst korrekt nach meinem besten Verständnis in die Schrift.
Zuerst erzählt sie von ihrer England-Reise mit ihrer Enkelin (36:00), aber nach dieser Einleitung beginnt sie die Predigt, und zwar mit einer Stelle aus dem alten Testament.
Eines Tages sagten die Prophetenschüler zu Elisa: »Wie du siehst, ist der Ort, an dem wir uns mit dir treffen, nicht groß genug. Lass uns zum Jordan hinuntergehen; jeder soll einen Baumstamm nehmen, aus denen wir uns einen neuen Versammlungsort bauen können.« »Geht nur«, sagte er. »Bitte, komm mit uns«, bat einer. »Gut, ich komme mit«, sagte Elisa. Und er ging mit ihnen. Am Jordan angekommen, begannen sie, Bäume zu fällen. Und als einer von ihnen einen Baum fällte, fiel ihm das Eisen von seiner Axt ins Wasser. »Ach, mein Herr«, rief er erschrocken, »die Axt war nur geliehen!« »Wo ist sie hineingefallen?«, fragte Elisa. Als der Mann ihm die Stelle zeigte, schnitt er einen Stock ab und warf ihn dorthin. Da tauchte das Eisen auf und schwamm auf dem Wasser. »Nimm es heraus«, sagte Elisa. Und er streckte die Hand aus und ergriff das Axteisen.(2 Könige 6:1-7, Neues-Leben-Bibel)
Abschnitte wie diese helfen in der Literaturwissenschaft, das Genre eines Textes
festzustellen: In diesem Fall antike Mythen
. Aber für die Leute in diesem
Raum ist das alles wahr und wörtlich so passiert.
Die Erde gibt es länger als die Sonne und die Sterne. Sie ist natürlich flach mit vier Ecken. Und es ist kein Problem, wenn ein Drittel der Sterne auf sie fällt. Das ewig gültige, unfehlbare Wort Gottes.
Elisa ist übrigens in manchen anderen Übersetzungen Elischa. Die Verwendung einer bestimmten Übersetzung ist auch eine bewusste Entscheidung in einer Kirche. Die hier verwendete Neues-Leben-Bibel ist eine, die von Evangelikalen bevorzugt wird. Sie ist nicht einmal direkt aus den Ursprachen Hebräisch, Aramäisch und Altgriechisch übersetzt, sondern aus dem Englischen. Die (amerikanisch) englische Übersetzung wurde von Evangelikalen durchgeführt. Andere deutsche Übersetzungen werden eher aus den Urtexten gemacht und sie beachten auch die zahlreich vorhandenen Variationen in den Manuskripten, die aus den frühen Jahrhunderten stammen. Was Evangelikale wiederum nicht so gern hören, weil das Vorhandensein dieser Variationen in durchaus wichtigen Passagen Evidenz gegen die von ihnen betonte Fehlerfreiheit und göttliche Inspiration der Bibel ist.
Was hat das mit Mai 2022 zu tun? Nur das: Das war damals eine Alltagsgeschichte. Eine Alltagsgeschichte, die für mich zeigt, wie interessiert Gott an jedem Detail unseres Lebens ist. Dein Wohlergehen sowie das Wohlergehen dieses Prophetenjungen … Es war wichtig genug, dass Gott ein Alltagswunder wirkt. 39:10
Na geh. Menschen beten ergebnislos für Frieden, das Ende der Corona-Pandemie, einen Lottogewinn, ein todkrankes Kind. Aber Gott verringert lieber ein einziges Mal die Dichte eines einzelnen Objekts aus Eisen, damit es auf Wasser schwimmt. (Danach wohl nicht mehr als Axt zu gebrauchen.) Damit ein anonymer Prophetenjunge aus einer peinlichen, aber keinesfalls existenzbedrohender Situation rauskommt. Und heutzutage sind Kondenswasser in den Augen einer Maria-Statue sowie jesusförmige Flecken auf Toastbrot die Wunder, die uns präsentiert werden.
Das Wohlergehen von diesem Jungen war Gott wichtig, genauso wie dein Wohlergehen für Gott so, so wichtig ist. Wir leben in einem Leben, wenn wir Jesus als unseren Erretter angenommen haben, in einer vollen Verbindung mit dem allmächtigen Gott. Ich bin der Meinung, und zwar seit vielen Jahrzehnten, dass diese Verbindung zu Gott tagtäglich in meinem Alltag funktionieren muss. Es muss Auswirkungen haben. It has to work. Ob das das Unmögliche möglich machen ist – ich gehe davon aus, dass wir wissen, ein Axteisen schwimmt normalerweise nicht – oder in unserer egal welchen Problematik, Situation, Herausforderung wir uns befinden in unserem Leben, er interessiert sich für jeden Bereich von deinem Leben. Auch heute, hier und jetzt. 40:07
Jetzt kommen minutenlang Beispiele, für die sich Gott angeblich interessiert, im
Leben jedes einzelnen Menschen (die Jesus als Erretter angenommen haben
,
also die richtigen Dinge glauben).
Hier wird wörtlich behauptet, dass die richtige
Art, christlich zu
glauben, konkrete, wahrnehmbare Vorteile fürs Leben hätte. Dies lässt sich in
der Gesellschaft aber so nicht feststellen. Im Gegenteil. Die Menschen hier
zahlen bis zu einem Zehntel ihres Einkommens für ein Produkt, das nicht
existiert, und dessen Vertrag benachteiligende Klauseln enthält. Aber es wird
ihnen jede Woche erklärt, dass das so gut ist und sie sich deswegen gut fühlen.
Und manche glauben es.
Kommt jetzt langsam die Erklärung, warum man dann immer noch diese Probleme hat,
obwohl die drei Drittelgötter allmächtig sein sollen? Wie soll man diese von
keinem Gott
unterscheiden?
Noch nicht.
Er sehnt sich nach Nähe, nach einer Enge, nach einer Unabh… Abhängigkeit ihm gegenüber. Die uns befähigt, weiterzuleben, wenn die Umstände um uns die Bedrohung sind, uns lebensunfähig zu machen. Kennt ihr solche Umstände? Die nehmen uns fast die Luft. 42:40
Noch immer: Reine Behauptungen, was Gott alles will und wonach er sich
sehnt
. Menschen ohne die Eigenschaft allmächtig
, aber mit der
Eigenschaft existierend
haben viele Möglichkeiten, selbst auszudrücken,
was sie wollen und wonach sie sich sehnen. Und sie tun das auch. Dieser von
Menschen erfundene Gott tut das nur in der Vorstellung jener Menschen, die an
ihn glauben. Und genauso tun es die von anderen Menschen erfundenen anderen
GöttInnen für deren Anhänger. Ein gutes Gefühl, genug Selbsttäuschung
vorausgesetzt. Aber kein Lottogewinn, keine auf Wasser schwimmenden Äxte, keine
magischen Friedensschlüsse. Nur Selbstgespräche und
absurdes Theater.
Gott interessiert sich für unser Leben. Matthäus 10, Vers 29 und 30.
Nicht einmal ein Spatz, der doch kaum etwas wert ist, kann tot zu Boden fallen, ohne dass euer Vater es weiß. Selbst die Haare auf eurem Kopf sind alle gezählt.
Diese Stelle wird in einer interessanten Weise unterschiedlich übersetzt. Die
mehr texttreuen Übersetzungen sind nicht ohne dass euer Vater es weiß
,
sondern ohne den Willen eures Vaters
(Einheitsübersetzung) oder ohne
euren Vater
(Lutherbibel). Das sind drei verschiedene Bedeutungen. Schmeißt
Gott die armen Spatzen selbst herunter, oder bekommt er das nur mit? Die
ungarische Übersetzung ähnelt mehr der Einheitsübersetzung, während englische
eher der Lutherbibel ähneln. Wie wichtig ist diesen Leuten der Text der Bibel
wirklich?
Interesse
ist zumindest etwas, wobei man argumentieren kann, dass es sich
nicht unbedingt in Aktion ausdrücken muss. Aber warum sollte Gott die Anzahl der
Haare jedes Menschen (eine Zahl, die sich täglich ändert) ständig wissen wollen,
wenn er dann nicht in erkennbarer Weise mit der Welt interagiert? Das waren
bisher lauter Argumente für einen nicht existierenden Gott, an den man
trotzdem glauben soll.
Wir haben das so oft gehört, aber glauben wir das wirklich? Dass Gott so interessiert ist an jedem Detail? Oh doch, ja. Weil du und ich hier in unserer Welt heute, wir sind Salz und Licht, und wir sind die Werbung, die Gott auf der Erde hat.
Nein, wir glauben das nicht. Kein Wort davon. Und der Erklärungsversuch (mit
weil
eingeleitet) steht damit in keinem logischen Zusammenhang. Das ist
eine Vorgabe, was die Anhänger sein sollen.
Ich kann aktuell nicht bestätigen, dass diese Menschen Werbung für irgendeinen Gott wären. Es gäbe wesentlich bessere Möglichkeiten für ein übernatürliches Wesen, auf sich aufmerksam zu machen. Ich empfehle immer, regelmäßig sinnvolle Botschaften auf den Nachthimmel zu schreiben und diese als eigenes Werk zu kennzeichnen. Das müsste für ein allmächtiges Wesen ein Klacks sein, und es gäbe danach weder AtheistInnen, noch Menschen mit anderen Religionen mehr.
Ich lese Matthäus 6, wir werden heute einige Bibelstellen lesen, Matthäus 6, ab Vers 27:
Können all eure Sorgen euer Leben auch nur um einen einzigen Augenblick verlängern? Nein. Und warum sorgt ihr euch um eure Kleider? Schaut die Lilien an und wie sie wachsen. Sie arbeiten nicht und nähen sich keine Kleider. Trotzdem war selbst König Salomo in seiner ganzen Pracht nicht so herrlich gekleidet wie sie. Wenn sich Gott so wunderbar um die Blumen kümmert, die heute aufblühen und schon morgen wieder verwelkt sind, wie viel mehr kümmert er sich dann um euch? Euer Glaube ist so klein!Er weiß ganz genau, heute in diesem Augenblick, was dich beschäftigt. Was dir potenziell Sorgen machen könnte, oder vielleicht tatsächlich Sorgen bereitet. 44:50
Mein Glaube ist gar nicht vorhanden. Ich weiß, dass Lilien und andere Blumen ganz ohne Gott so sind, wie sie sind – ihre Farben und ihr Duft bewirken, dass sie sich fortpflanzen können.
Und jemanden, der ständig meine Gedanken kontrolliert, brauche und will ich nicht. Das ist keine Werbung für diese Vorstellung.
Aber dann, hier sagt er, euer Glaube ist so klein. Das zeigt mir, dass er die Realität mit uns anschaut, er will sie nicht abtun, überhaupt nicht, er sagt nur, wenn dein Glaube ein bisschen größer wäre, vielleicht würde es dir besser, anders, gehen. Das zeigt mir, dass das, was wir über Gott glauben, und die Verbindung zwischen Gott und unserem Wohlergehen sehr prägend ist in unserem Leben. Auch was wir glauben über unser Wohlergehen und Gott und meinen Kontext, meinen Rahmen, in dem ich mich befinde, sind sehr prägend. So, der Titel meiner Predigt heute ist: Mein Wohlergehen: Gottes Anliegen, aber meine Verantwortung. 46:34
Wir kommen jetzt also zum Titel. Über Gottes angebliche Anliegen haben wir schon viel gehört, jetzt wäre einmal die Verantwortung interessant.
Mhhmm. Wir haben diese Spannung wieder hier. Gottes Anliegen und doch meine Verantwortung. Mein erster Punkt ist: Kann ich alles zu Gott bringen, und das wird ausreichend sein? Und ich muss diese Frage mit einem fetten Ja beantworten, aber ich werde einige Gedanken dazu bringen. 47:35
Warum denkt sie wohl, dass eine Spannung entstanden ist? Vielleicht wegen des Kontrastes zu allem, was bisher geschah. Die singenden Mädchen haben ihre Vorstellung vom perfekten und wunderbaren Gott angebetet, und in der Predigt geht es die ganze Zeit darum, dass Gott uns ständig nur helfen will. Da passt die eigene Verantwortung bisher nicht hinein.
Gianni Gaeta hat seine Predigt ja anders herum aufgezogen: Zuerst die Verantwortung fürs eigene Leben betont, und dann den heiligen Geist (unnötigerweise, da für die Argumentation irrelevant) eingebaut.
Ich habe euch versprochen, einige Bibelstellen. Die Sache ist diese, die Psalmen sind voll von diesen Spannungsfeldern. Der David und die anderen Psalmisten haben das gut gekannt, sie haben es auch für uns niedergeschrieben und festgelegt, festgehalten. Wie es ihnen ganz real und echt gegangen ist, aber wie sie täglich neu und vielleicht öfters täglich doch die Kurve gekratzt haben, um zu sagen, wie sie den Turnaround, wie sie ihre Situationen doch zu einer Veränderung gebracht haben. Da waren so viele Möglichkeiten, aber ich habe nur einen Ausschnitt aus einem Psalm gewählt, und es ist Psalm 17 ab Vers 6.
Ich bete zu dir, denn ich weiß, dass du mich erhören wirst. Neige dich zu mir herab und höre mein Gebet. Zeige mir auf wunderbare Weise deine Gnade. Du rettest mit deiner Kraft die Menschen, die bei dir Schutz vor den Feinden suchen. Behüte mich wie einen Augapfel und gib mir Zuflucht unter dem Schatten deiner Flügel.Er hört uns, er beantwortet unser Gebet, er schafft für uns einen Platz, wo wir uns zurückziehen können, wo wir Schutz finden, aber die Tatsache ist, wir leben unser Leben nicht in Rückzug. Er ist auch der Gott, der mitten im Leben, mitten in Realitäten, die wir spüren, die mit uns was machen. Er lebt mit uns dort. 48:07
Die Pastorin hat keine Bibelstelle gefunden, mit der sie das bisher Gesagte belegen könnte. Im Gegenteil. In diesem Psalm wird einem Wunsch Ausdruck gegeben, der reale Effekte im Leben hätte – der Schutz vor Feinden. Menschen in kriegerischen Auseinandersetzungen wünschen sich so etwas täglich, und für ganz viele funktioniert es nicht. Es ist zynisch, ihnen solche Bibelstellen vorzuhalten.
Die Effekte von Gebet und anderen Formen der Selbstansprache für die Person, die diese Art von Meditation durchführt, sind belegt. Sie können tatsächlich beruhigen und ein gutes Gefühl geben. Alle anderen Behauptungen darüber – Gott hört uns, er beantwortet Gebete usw. – sind unbelegt, obwohl der zitierte Text mehr als 2500 Jahre auf dem Buckel hat. Die Stimmen, die man zu hören glaubt, kommen aus dem eigenen Kopf und sagen, was man hören will. In jeder Religion, die so etwas wie Gebet kennt.
Jetzt folgt in der Predigt eine Ausführung, dass wir den Dingen ins Angesicht schauen und sie nicht zu Stolpersteinen werden lassen sollen. Stattdessen sollen sie eine Stufe zum Lernen werden. Pastorin Gaeta sagt aber nicht, wie wir das machen sollen.
So wie David, so wie die, die die anderen Psalmen gelesen haben, ja, sie schildern ihre Situation, aber schaffen es immer, auch in ihrem Wortlaut, es immer umzudrehen, und ihr Vertrauen in Gott zu setzen. 51:30
OK, vielleicht kommen wir der Sache näher. Wir haben (wieder in einer literarischen Gattung) die Aufforderung, die Dinge tatsächlich wahrzunehmen. Das ist ein guter erster Schritt. Aber das Vertrauen in Gott zu setzen ist nicht die Lösung für Probleme. Die Probleme, die der Psalmist beschreibt, lassen sich in der Realität nicht durch Beten lösen. Wünsche ans Universum sind ein beliebtes Konzept in der Esoterik – aber sie erfüllen nur dessen Wünsche, der sie erfolgreich an andere verkauft.
Wie? Ich glaube, ich habe für euch ein paar Schlüssel. Und wir lesen jetzt 1. Petrus, Kapitel 5, Vers 6 und 7.
Deshalb beugt euch demütig unter die Hand Gottes, dann wird er euch ehren, wenn die Zeit dafür gekommen ist. Überlasst all eure Sorgen Gott, denn er sorgt sich um alles, was euch betrifft!Vers 6 spricht von einer Haltung in Abhängigkeit zu Gott. In einem Bewusstsein, Gott, ich brauche dich! 51:28
Das ist richtig. Der ganze Gottesdienst war bisher darauf aufgebaut, diese Abhängigkeit zu erzeugen. Eine schädliche Abhängigkeit von erfundenen Dingen, die nichts mit Verantwortung zu tun hat. Wäre dieser Satz wahr, hätten ChristInnen keine Sorgen und Probleme! Aber sie haben sie. Und immer weniger Menschen folgen ihnen, weil sie ihre Behauptungen nicht belegen können.
Vier kurze Punkte. Eines ist, wir lernen, auf den Namen Gottes zu rufen, zu ihm zu kommen. 52:58
In der Predigt ist bisher keiner von Gottes Namen vorgekommen. Er wurde immer
mit seiner Gattungsbezeichnung (Gott
) angesprochen. Frau Gaeta tut so,
als hätte die Menschheit bisher nur einen Gott erfunden. Dabei sind allein in
ihrem Lieblingsbuch schon mehrere genannt.
Wir üben Vertrauen aus. Was hat Jesus gesagt? Euer Glaube ist zu klein. Dann lassen wir unseren Glauben wachsen, indem wir immer besser lernen, wie er lernen, wie er ist, und die Tatsache, dass er vertrauenswürdig ist. 53:42
Nehmen wir für ein Gedankenexperiment einmal an, dass die Erzählung, dass Jesus lebte und was er sagte, wahr sei und korrekt überliefert wurde. (In Wirklichkeit wissen wir das alles nicht.) Nach all seinen Wundern und Lehren muss er seine eigenen Schüler, die ihm nachfolgen, also wirklich zu den fanatischsten Anhängern gehören, wegen ihres geringen Glaubens tadeln. Offensichtlich sind seine Lehren so wenig glaubwürdig, dass sie trotz direkter Evidenz nicht geglaubt werden.
Zurück in der Realität: Vertrauen muss man sich verdienen. Wir haben keine
Evidenz, die für Vertrauen
ausreichen würde. Hier wird unkritischer,
unbegründeter Glaube verlangt, das klingt nur nicht so gut.
Wir definieren es. Klar genug, dass wir wissen, was es ist, aber wir halten uns nicht fest, und was wir ganz sicher nicht machen sollen, ist uns durch unsere Sorgen zu definieren und unsere Identität in denen zu finden. Es ist nicht unser, es, was das Leben uns antut gerade, aber wir dürfen es Gott geben. 54:28
Es geht hier um Sorgen. Tatsächlich ist es ein guter Rat, sich nicht zu sehr mit
den Sorgen zu identifizieren, das hilft niemandem. Aber als säkularer Humanist
würde man Dinge empfehlen wie sich mit anderen über die Probleme
austauschen
, in Therapie gehen
, oder generell Lernen, um mit
Sorgen, Problemen und Herausforderungen besser umzugehen. Sie einem
eingebildeten Sky Daddy zu geben
und zu hoffen, dass sie weggehen, wird
nichts helfen.
Wir ruhen, wir atmen durch. Ja, Gott hat's! Und es ist in guten Händen. 56:00
Nämlich die Sorgen. Sorry, das ist schon ein schädlicher Rat. Das Gegenteil von Verantwortung, wenn man sich von den eigenen Problemen so isoliert, dass man glaubt, ein Zauberwesen hätte sie vollständig übernommen.
Mein zweiter Punkt ist: Er hat Leben in Gemeinschaft vorgesehen. Er hat Leben in Gemeinschaft vorgesehen. Gemeinde, das, was wir heute erleben, … ist seine Idee. Und mit seinen tollen Ideen, wie mit vielen seiner großartigen Ideen, es bringt großartige Vorteile mit sich. 57:25
Die Menschen organisierten sich schon in Gemeinschaften, als das Konzept von
GöttInnen noch nicht erfunden war. Das funktioniert ja auch bestens für unsere
nichtmenschlichen Verwandten unter den Menschenaffen. Und natürlich bilden
nichtchristliche Religionen auch Gemeinden. Dieser Versuch der kulturellen
Aneignung des Konzepts von Gemeinschaft ist lächerlich. Etwas nehmen, was
Menschen schon sehr lange machen, weil es funktioniert, und dann das Mascherl
christlich
draufkleben. Nein, das klappt nicht, obwohl es immer wieder
versucht wird.
Aber ich habe da Verantwortung! Auf was ich mich einlasse. Wo ich mich da positioniere. Er hat Leben in Gemeinschaft vorgesehen. 58:05
Na endlich, die erste Erwähnung von Verantwortung. Aber es kommt nichts zu diesem
Themenkreis nach. Verantwortung
steht hier letztendlich für eine einzelne,
nicht sehr gut informierte Entscheidung. Bis jetzt sind nur unbelegte Vorteile
dieser Entscheidung genannt worden. Das ist keine gute Basis für eine
Entscheidung.
Frau Gaeta wiederholt, dass Gott Gemeinschaft vorgesehen hätte und zitiert wieder aus der Bibel.
Aber lies, höre, was auch über diesen Teil gesagt wird im Jakobusbrief, Kap. 5 ab Vers 13:
Leidet jemand von euch? Dann soll er beten. Und wer Grund zur Dankbarkeit hat, soll dem Herrn Loblieder singen. Ist einer von euch krank? Dann soll er die Ältesten der Gemeinde holen lassen, damit sie für ihn beten und ihn im Namen des Herrn mit Öl salben. Ihr Gebet im Glauben an Gott wird den Kranken aus seiner Not herausholen, und der Herr wird ihn aufrichten. Und wenn er Sünden begangen hat, wird Gott ihm vergeben. Bekennt einander eure Schuld und betet füreinander, damit ihr geheilt werdet. Das Gebet eines gerechten Menschen hat große Macht und kann viel bewirken. Elia war ein Mensch wie wir, doch als er darum betete, dass kein Regen fallen sollte, regnete es dreieinhalb Jahre lang nicht auf der Erde! Dann betete er um Regen, und es regnete vom Himmel. Das Gras wurde grün, und die Erde brachte wieder Früchte hervor.Beschreibt für uns eine Art von Gemeindeleben. Einen Gottesdienst, wo es leichter ist zu singen, als alleine für dich zu Hause. Wo, ja, Worte in unseren Mund gelegt werden, so wie heute Abend, die so stark waren. 58:30
Wieder ein Teil der Bibel, der direkt widerlegbar ist. Dreieinhalb Jahre ohne
Regen wären DAS Klima-Ereignis der Antike gewesen. Jede Zivilisation hätte
Aufzeichnungen darüber. In Ägypten führten schon Schwankungen in der Menge des
Überschwemmungswassers des Nils zu Staatskrisen. Wir wüssten davon, wenn es
diese dreieinhalb Jahre gegeben hätte. Aber selbst wenn wir das Schweigen der
historischen Quellen ignorieren: Es gibt in mehreren Naturwissenschaften
zuverlässige Methoden zur Feststellung der Niederschlagsmenge und anderer
klimatischer Bedingungen pro Jahr auch für die Vergangenheit. Jahresringe,
Eisbohrkerne, Ablagerungsschichten in Gewässern usw. enthalten keine
Dreieinhalb-Jahre-Dürre in biblischen
Zeiten. Aber für die Menschen in
diesem Raum ist diese Falschinformation trotzdem wahr.
Ich liebe … habt ihr das geliebt, was Margit gesagt hat, diese Kraftposition? Das ist so wahr! Die Psychologen von heute, besonders die, die an Gott glauben, beweisen immer öfter, dass so vieles, was in der Bibel steht und uns anleitet, unserer Seele aber genauso unserem Gehirn und unseren Gedanken nur guttut! Gott hat sich was dabei gedacht! 1:01:17
Schon wieder der Versuch der Aneignung. Diese nachgewiesenen positiven Effekte betreffen verschiedene Dinge, die als religiös empfunden werden. Auch von anderen Religionen. Auch, wenn man die Übungen vom religiösen Überbau befreit und sie ganz säkular ausübt.
Die Psychologen beweisen nicht, was in der Bibel steht, schon alleine, weil in der Wissenschaft keine Beweise möglich sind. Menschen bringen ihre Ergebnisse einfach mit den religiösen Lehren in Verbindung. Wenn es jemandem hilft, soll er oder sie das gerne machen. Aber dann bitte auch auf die Wissenschaft hören, wenn sie feststellt, dass etwas schädlich ist. Oder nicht der Wahrheit entspricht.
Du schaffst für dich hier Begegnung, mit Gott und mit Menschen. Du setzt dich Wahrheiten aus. Durch eine Predigt, durch die Worte, die von der Bühne kommen. Wahrheiten, aber auch Glaube, dein Glaube wird aufgebaut, ermutigt. 1:02:05
Jetzt der Versuch, Wahrheit umzudefinieren. Wahr ist etwas, dessen Wahr-Sein gezeigt wird. Wiederholungen machen Glaubensinhalte nicht zur Wahrheit. Widerlegungen nehmen Glaubensinhalten jede Chance, als Wahrheit zu gelten.
Schon die Begegnung mit Gott
ist nicht wahr. Die Predigt hat bisher schon
mehrere Unwahrheiten enthalten. Das Problem mit dem Versuch der Wahrheit ist,
dass er so leicht zu widerlegen ist. In vielen Fällen wissen wir noch gar nicht,
was wahr ist – jene, die behaupten, die Wahrheit gefunden zu haben, irren sich.
Du wirst hier in unserem Haus ermutigt zur Reflexion. 1:02:48
Haha, nein. Du wirst in diesem Haus ermutigt zur bedingungslosen Unterordnung im Worship. Zum kritiklosen Glauben gedrängt. Reflexion über Glaubensinhalte scheuen gerade evangelikale Christen so wie der sprichwörtliche Teufel das Weihwasser. Sie schicken nicht einmal ihre PastorInnen auf öffentliche Universitäten, weil selbst die dort mit wissenschaftlichem Anstrich praktizierte Theologie schon genug Widersprüche zum bibeltreuen, naiven Glauben liefert.
Gemeinschaft ist auch ein Rahmen, wo Vertrauen wachsen kann. Das sind Life Groups, unter anderem. Wo wir uns wirklich regelmäßig treffen mit Leuten, die wir besser kennenlernen können, wo Vertrauen wachsen kann. 1:04:50
Das ist jetzt eine korrekte Beschreibung von Vertrauen. Die Menschen in den Gruppen sind jene, die Vertrauen schaffen – oder zerstören. Wer nie in so einer Life Group (das sind die thematischen Gruppen in der Life Church) erscheint, kann kein Vertrauen aufbauen. So wie der Gott, der nie erscheint.
Erster Thessalonicher, Vers 5. Ich glaube, meine letzte Bibelstelle für heute. Nur Vers 11.
Deshalb sollt ihr einander Mut machen und einer den anderen stärken, wie ihr es auch schon tut.1:07:12
Ja, besser nur Vers 11. Kapitel
5 geht nämlich
auch so: 2 denn ihr wisst ja selbst genau, dass der Tag des Herrn unerwartet
kommen wird wie ein Dieb in der Nacht. 3 Wenn die Menschen sagen: Ȇberall
herrschen Frieden und Sicherheit«, dann wird die Katastrophe so plötzlich über
sie hereinbrechen, wie eine Frau vor der Geburt ihres Kindes von den Wehen
überwältigt wird. Und dann wird es kein Entkommen geben.
(NLB). Endzeitkult
seit fast zweitausend Jahren – nur ist das versprochene Ereignis nie
eingetreten und wird es auch nie.
Es lassen sich fast beliebig positive, aber unspezifische Slogans wie dieser Vers 11 in der Bibel finden. Es ist nur nicht ehrlich, den Kontext auszublenden.
Ich spreche jetzt was an, es ist aber keine Ausrede für Klatsch und Tratsch. Ich weiß was, was du nicht weißt, so ungefähr. Niemand sagt es. Aber man gibt es gern weiter. Ooooh, die Neuigkeiten von heute. Hast du gehört? Nein, die Life Church ist nicht so. Wir wollen und werden füreinander beten, aber wir werden jeden Klatsch und Tratsch in diesem Haus unterbinden. Wenn du was jemand anderem sagst über jemanden, der nicht vorhanden ist, ich möchte, dass du eines denkst: Jesus ist hier, er hört mit. Ist das wertschätzend oder nicht? 1:09:00
Nicht vorhanden ist ja in erster Linie dieser Gott. Aber über den wird so gerne Klatsch und Tratsch erzählt. Es gibt ja keine Möglichkeit, gesicherte Information über ihn zu bekommen, also wird etwas erfunden. Immer und immer wieder. Und es ist zufällig immer das, was die Erzählenden vorher schon dachten.
Und offensichtlich hilft die eingebildete Anwesenheit von Jesus
nicht,
die Leute zum richtigen Verhalten zu bringen. Das ist jetzt die erste direkte
Aufforderung in der Predigt an die Zuhörenden, etwas Konkretes definitiv nicht
zu tun. Ob es einen Anlass gibt?
Wenn du länger in der Gemeinde bist, hast du sicher erlebt, dass etwas Privates über dich weitererzählt worden ist, in einem Rahmen, der nicht passend war. 1:10:57
Ja, es gibt Anlässe. Der Kontrollmechanismus Jesus
funktioniert wohl
nicht so gut.
Gebetsunterstützung ist so kraftvoll! Und wir wollen alles tun, um es möglich zu machen. Vor zwei Wochen, eine junge Frau, ich kenne sie nicht mehr so gut, hat über Instagram sich ausgestreckt zu mir und sagte, Angela, mein Vater ist gerade diagnostiziert worden mit einem Gehirntumor. Möchtest du beten? Ich kenne den Papa seit Jahren. Irgendwie ist es, als ob Gott sagt, Angela, this is yours. Und ich habe es genommen. Öfters täglich für ihn gebetet. Operiert worden vorigen Montag. Und die Tochter, die so besorgt ist um den Papa, berichtet mir fast täglich. Es ist unglaublich. Die Ärzte können nicht verstehen, dass es nach so einer riesigen OP so gut geht. Gebetsunterstützung! 1:12:00
Keine christliche Erzählung über die heilende Wirkung von Gebeten kommt ohne das
Motiv die Ärzte können es nicht verstehen
aus. Doch, sie verstehen es.
Und sammeln Daten. Und bevorzugen Methoden, mit denen die Heilung schneller
vorangeht. Ohne Vorurteile, auch wenn sie den Wirkmechanismus nicht verstehen.
Würde Gebet nachvollziehbar helfen, gäbe es das auf Krankenschein, und es wäre
Standardbehandlung. Wir sind in einem Land, das vor nicht allzu langer Zeit noch
fast durchgehend christlich war. Es gab und gibt keine Verschwörung, um
christliches Gebet aus der Medizin herauszuhalten – es hat nur keine Wirkung.
Vor einigen Jahren war die Life Church sehr betroffen, als ein leitender
Mitarbeiter unerwartet nach einer Operation verstarb. Es wurde zweifellos auch
für ihn gebetet. Aber Beten hat nur für die betende Person eine positive,
beruhigende Wirkung. Aus den vier möglichen Kombinationen zwischen Gebet -
kein Gebet
und Verbesserung - keine Verbesserung
nur eine (Gebet
und Verbesserung) für Predigten herauszupicken ist intellektuell unredlich.
Die Wirkung von Gebeten bei der Heilung nach Operationen wurde tatsächlich in einer großen, methodisch sauberen Studie überprüft. Die US-amerikanische Templeton Foundation ist eine reiche christliche Stiftung, die seit Jahrzehnten versucht, irgend etwas von den übernatürlichen christlichen Vorstellungen wissenschaftlich belegen zu lassen. Bisher ohne Erfolg, sonst würden wir von Christen nichts anderes hören.
Es gab also die STEP-Studie, die nach allen Regeln korrekter medizinischer Studien, also blind und randomisiert durchgeführt wurde. Gebetsgruppen wurden Daten zu Menschen in Krankenhäusern zufällig zugeordnet, und es sollte für ihre Heilung gebetet werden. Die Zielpersonen und die behandelnden Ärzte wussten nichts davon oder wussten es, in zufällig zugeordneten Gruppen. Für die Kontrollgruppe wurde nicht gebetet. Herausgekommen ist: Nichts. Keine Verbesserung des Heilungerfolgs durch Gebete.
Wenn man sich in der Life Church wirklich für Studien interessiert – geleitet von einem gläubigen Arzt, der eigentlich die Wirkung beweisen wollte, finanziert durch ein christliches Institut –, dann sollte man das wissen. Es gibt keine Ausrede. Wenn man etwas immer wieder macht, in der Hoffnung, es würde helfen, hat man die Verantwortung, sich damit zu beschäftigen, was die Menschheit darüber weiß.
Aber es ist noch schlimmer. Es gab in der Studie auch eine Gruppe, die gewusst hat, dass für sie gebetet wird. Und sie hatten mit 14 % einen statistisch signifikanten schlechteren Verlauf. Die Studie, die auf Basis des Vorurteils, Gebete könnten nur Positives bewirken, durchgeführt wurde, hat dieser Gruppe stattdessen aktiv geschadet.
Der Stand der Wissenschaft ist also: Gebete, von denen die betroffenen Personen wissen, richten (ob durch falsche Erwartungen oder andere, bisher unbekannte Mechanismen) Schaden an. Das ist buchstäblich der schädlichste Rat, den man geben kann. Dann lieber beten und es niemandem sagen – das hat zumindest keine negativen Auswirkungen auf die Opfer der Gebete.
Aber solche falschen Wundererzählungen führen gerade in Gruppen mit starken Erwartungen dazu, dass Leute auf eine medizinische Behandlung überhaupt verzichten – es wird ja schließlich für sie gebetet. Das führt zu vermeidbaren Todesfällen.
Hinzu kommt, dass die Behauptung, ein Gott würde ursächlich die Heilung von einer Krankheit beeinflussen, automatisch die Frage nach sich zieht, was dieser mit dem Entstehen der Krankheit zu tun hat. Aber diesen Gedanken bringen nicht einmal christliche Drehbuchschreiber zusammen.
Gebetsunterstützung. Deswegen unsere Gebetskarte. Wir wollen mit euch. Mach es anonym, um ganz sicherzugehen. Aber wir werden vertraulich damit umgehen. Da kannst du sichergehen. 1:12:52
Und man wird hier genau diesem schlechtesten Rat ausgesetzt – man soll die Karten ausfüllen (obwohl bereits getratscht wurde), und dann erwarten, dass für die eigenen Anliegen gebetet wird.
Ich schließe ab. Seelsorge. Meine Predigt heute hätte einen anderen Titel haben können. Der Titel ist: Mein Wohlergehen, Gottes Anliegen, aber meine Verantwortung. Oder der Titel hätte sein können: Seelsorge pur. 1:13:05
Ja, vielleicht wäre das ein besserer Titel gewesen. Ich hätte dann nicht erwartet, dass Verantwortung in einer sinnvollen Weise behandelt wird. Tatsächlich kam das Wort nur einmal in der Predigt vor, im Kontext, dass man sich für die richtige Gruppe – natürlich die Life Church – entscheiden soll. Das ist zusammen mit dem Rest der Predigt sehr enttäuschend.
Seelsorge. Die christliche Version der Psychotherapie, durchgeführt von Menschen ohne Ausbildung, mit falschen Vorstellungen über fast alles, was eine moderne wissenschaftliche Beschreibung der Welt betrifft. Mit einer frei erfundenen Basis, mit Versprechen, die nicht wahr gemacht werden können. Und mit dem Ignorieren von Erkenntnissen sogar aus dem eigenen Lager, wenn sie dem eigenen Wohlfühl-Weltbild widersprechen. Vielleicht ist es besser, wenn in diesem Kontext nicht über Verantwortung gesprochen wird.
In der Medizin, die den Körper betrifft, haben viele entwickelte Länder dafür gesorgt, dass alte, glaubensbasierte, nicht evidenzbasierte Methoden immer weniger Verwendung finden. In Deutschland und Österreich können Scharlatane ohne Ausbildung aber noch immer solche Methoden anwenden.
Und wenn es um die Psyche geht, gibt es auch richtige, evidenzbasierte,
universitäre Ausbildung, die Menschen jahrelang durchlaufen. Und es gibt einen
Sektor, für den das alles nicht notwendig ist. Jede staatlich anerkannte
Religionsgemeinschaft kann Seelsorge
betreiben, völlig unabhängig vom
Wahrheitsgehalt, von einer Überprüfung der Methoden und der Kompetenzen der
Ausführenden. Das ist im 21. Jahrhundert nicht in Ordnung, und genau solche
Gruppierungen demonstrieren, warum.
Die Musiker und die Sängerinnen kommen langsam wieder auf die Bühne. Pastorin
Gaeta schließt noch ab, es wird nicht besser. Sie ruft dazu auf, sich zu Gott
neu zu positionieren, der ein wunderbarer Vater
sei. Ich kann ihr leider
nicht zustimmen. Der Gott, der in der Bibel beschrieben wird, ist alles andere
als ein guter Vater. Er schafft gefährliche Situationen für seine Kinder, lässt
sie unwissend in eine Falle tappen, und bestraft alle, die sich nicht nach
seinen ständig wechselnden Regeln richten. Es ist gut, dass dieser Gott nicht
existiert. Wir wären mit ihm schlecht dran.
Die Pastorin ruft minutenlang – mit leiser Hintergrundmusik – dazu auf, zu glauben, sich nach Axtwundern zu sehnen, und in die Gemeinschaft zu kommen. Zum Abschlussgebet soll man wieder aufstehen.
Danach lädt die Lead-Sängerin den heiligen Geist (wieder) ein, anwesend zu sein, und es gibt noch ein Lied, um das Gefühl zu bestärken.
Moderatorin Margit kommt wieder auf die Bühne
(1:25:30)
und gibt noch Hinweise, was man in welcher Reihenfolge machen soll (zuerst
beten, dann essen). Sie redet darüber, was man im Sommer machen kann – zum
Beispiel sich taufen lassen, auch wenn man schon getauft wurde. Die Life Church
Wien macht das im Badeteich Hirschstätten im Rahmen eines Picknicks einmal im
Jahr. Nach einem weiteren Hinweis auf die Gemeindefreizeit
in der
darauffolgenden Woche und den deswegen ausfallenden Gottesdienst endet die
Aufzeichnung.
Ich habe mir vom Titel deutlich mehr erwartet. Leider wurde da nur christliches Basisprogramm der verbreiteten Behauptungen auf simpelsten Niveau geboten.
Diese Predigt wendet sich nur an die bereits vollständig Bekehrten. Sie hat keinerlei Überzeugungskraft für andere und keine sinnvollen Handlungsanweisungen für die Gläubigen, außer, dass sie das tun sollen, was sie eh schon tun. Sie enthält uneinlösbare Versprechen und gibt objektiv überprüfbar schlechte Ratschläge. Keine Werbung fürs Christentum, keine Werbung für diese Gemeinde.
]]>Entdeckungen in der Bibelist erreicht. In ihr wird das
Angebotdes
liebenden Gottes, ihm zu folgen oder schreckliche Konsequenzen zu erleiden, wiederholt.
Gott lädt uns ein. Es liegt an uns, ob wir vor der Tür stehenbleiben.
So viel Stress. Um acht beginnt das Konzert. Aber in der Arbeit musste ich gerade heute Überstunden machen. Dann habe ich den Bus verpasst.
… und so weiter, der/die AutorIn verpasst den Beginn des Konzerts.
Gut, dass es eine Pause gibt. So können wir zumindest die zweite Hälfte sehen.
Und wenn nicht? Von so einer Situation, in der es für immer zu spät ist, redet Jesus im Gleichnis der zehn Jungfrauen (Matt 25:1-13). Sie gehen dem Bräutigam mit Laternen entgegen, aber nur fünf denken daran, Reserve-Öl mitzunehmen. Die Nacht kommt. Die Mädchen schlafen ein. Der Bräutigam kommt an. Die Laternen leuchten nicht mehr. Aber die unvorsichtigen Wartenden haben nicht genug Öl.
Dann gehen die fünf Jungfrauen mit genug Öl mit dem Bräutigam in den Hochzeitssaal, die anderen müssen (mitten in der Nacht) Öl kaufen gehen und stehen dann vor verschlossenen Türen. Was die fünf Jungfrauen vom Bräutigam haben und umgekehrt, ist nicht mehr beschrieben.
Das ist ein sehr konstruiertes Problem, ohne Bezug zu unserem heutigen Leben und
zur Realität. Und es hat mit für immer verpasst
nichts zu tun.
Was lernen wir daraus? Hochzeitsbräuche im antiken Israel waren komisch. Und man kann nicht durch eine verschlossene Tür. Deswegen sollte man immer genug Lampenöl auf Vorrat haben.
Diese Geschichte ist in eine Abfolge ähnlich dämlicher Gleichnisse eingebettet.
Der größere Kontext ist die Erzählung, wie und wann Jesus wiederkommen wird und
das Ende der Welt
(Matt
24:3) einleitet. Nicht zu
vergessen: Amen, ich sage euch: Diese Generation wird nicht vergehen, bis das
alles geschieht.
(Matt
24:34,
Einheitsübersetzung). Jesus verspricht (so wie in jedem anderen Evangelium und
auch in Paulusbriefen) der gerade anwesenden Generation, dass diese Ereignisse
noch in ihrem Leben eintreten werden. Gruppen, die so etwas glauben, nennt man
apokalyptische Sekten. Die Adventisten sind auf diese seit ihrer Gründung
enttäuschte Erwartung seit etwa 170 Jahren so stolz, dass sie sich nach der
Ankunft
(Advent) benannt haben.
Was wird bei diesem Weltende konkret passieren, könnte man sich fragen. Der
allwissende Sohn Gottes, gleichzeitig selbst Gott, erklärt in der unfehlbaren
Schrift: die Sterne werden vom Himmel fallen und die Kräfte des Himmels
werden erschüttert werden
(Matt 24:29, EÜ).
Wir wissen natürlich, dass die Geschichte nach diesem Satz aufhören würde: Wenn die Sterne auf die Erde fallen, ist mindestens unsere Galaxie danach für immer weg. Und dann hätten wir Jahrmillionen Zeit, uns darauf vorzubereiten, weil die am weitesten entfernten Sterne stärker, die näheren schwächer in unsere Richtung beschleunigt werden müssten, und die kosmischen Entfernungen zu gross sind. Viele Behauptungen in der Bibel lassen sich mit unserem heutigen Wissen eindeutig widerlegen; das hilft, den Realitätsbezug der anderen Aussagen des gescheiterten Weltuntergangspropheten (bzw. der Romanautoren, die ihn erfunden haben) einzuordnen.
Freier Eintritt
Das letzte Buch der Bibel erzählt auch von einer Hochzeit, die bei der Ankunft Jesu stattfinden wird. Wir alle sind zu diesem großartigen Fest eingeladen. In Johannes' Formulierung ist das die
Hochzeit des Lammes. Ein Freudenfest:
Halleluja! / Denn König geworden ist der Herr, unser Gott, / der Herrscher über die ganze Schöpfung. Wir wollen uns freuen und jubeln / und ihm die Ehre erweisen. Denn gekommen ist die Hochzeit des Lammes / und seine Frau hat sich bereit gemacht. … Selig, wer zum Hochzeitsmahl des Lammes eingeladen ist!(Offenbg. 19:6,7,9, EÜ)
Christliche Argumentation: Zuerst wir sind alle eingeladen
, dann in der
zugrundeliegenden Schrift wer eingeladen ist
. Das kann man nicht
gleichsetzen. Aber hier wird es gemacht, in der Hoffnung, dass man nicht so
aufmerksam liest und den Kontext auch nicht beachtet. Dabei folgt diese Erzählung
den ganzen Katastrophen, in denen Menschen versklavt, zu allerlei Unsinn
gezwungen und haufenweise ermordet werden. Und natürlich wurde die Erde bereits
in Offenbarung 8:10
vernichtet, als ein Stern darauf gefallen ist. Um dann in Satz 12 nochmal von
einem Drittel der Sonne und einem Drittel aller Sterne vernichtet zu werden. Für
eine fiktive Erzählung aus der Antike akzeptabel; als Glaubensinhalt, auf die
man Entscheidungen im 21. Jahrhundert aufbaut, ein Zeichen von
nachgewiesenermaßen falschen Vorstellungen und krankhafter Leichtgläubigkeit.
Endlich ist die Zeit gekommen! Was wir nur gehofft haben, wird jetzt Wirklichkeit: Wer sich für Jesus entschieden hat, kann ab jetzt mit ihm leben. Nichts kann mehr die Gemeinde (Braut) von Jesus (Bräutigam) trennen.
Das ist sehr steil, die ganze Gemeinde als Braut zu bezeichnen. Insbesondere
wenn man vorher argumentiert hat, dass man zur Hochzeit eingeladen
ist.
Die Braut lädt gemeinsam mit dem Bräutigam zur Hochzeit ein. Zu behaupten,
die Eingeladenen seien auch die Braut, ist absurd. Vielmehr ist diese
Gleichsetzung der Gemeinde mit Braut Christi
eine hier nicht belegte
christliche Tradition. Der Text hier ist aber, wenn man ihn zu Ende denkt,
kompletter Unsinn: Es gibt eine Hochzeit, bei der ein Lamm alle, die zur
Hochzeit eingeladen sind, heiraten soll. Selbst wenn das Lamm wirklich
Jesus
(laut christlicher Lehre gleichbedeutend mit Gott) wäre, wäre das
unsinnig: Wenn Heiraten
plötzlich zu einer neuen Art von Verbindung
zwischen Menschen und Gott umdefiniert wird, verliert das Wort seine Bedeutung.
Wenn alle mit Jesuslammgott verheiratet sind, hat das nichts mehr mit der
ursprünglichen Bedeutung zu tun. Wenn wir wirklich nur eingeladen wären, dann
wäre diese Hochzeit etwas Besonderes.
Das Buch der Offenbarung zeigt uns gleichzeitig ein anderes, weniger angenehmes Bild. Johannes stellt Jesus als Herrscher auf einem weißen Pferd dar. Seine Erscheinung ist erschütternd. Seine Kleidung ist mit Blut befleckt und aus seinem Mund kommt ein Schwert, mit dem er kämpft. (Offenbg. 19:11-16)
Hier in der realitätsbasierten Gemeinschaft haben wir schon etabliert, dass selbst wenn der Beginn der Offenbarung wahr werden würde, die Geschichte mit dem 8. Kapitel geendet hätte. Als Wahnvorstellungen eine religiösen Fanatikers ist diese Geschichte klar erkennbar; als Beschreibung zukünftiger Ereignisse ist sie nicht einmal logisch darstellbar.
Aber gut, dass die Bibelschule jetzt auch merkt, dass die Apokalypse nicht nur ein Kindergeburtstag mit Lammhochzeit ist.
Dies ist eine gnadenlose Szene. Sie macht klar, dass wir mit unserer Antwort auf Jesu Ruf entweder zur einen oder zur anderen Gruppe gehören. Auf der einen sind jene, die neben Gott stehen, auf der anderen jene, die gegen Gott arbeiten.
Und wo stehen die, die den ganzen Schmarren nicht glauben? Die an andere GöttInnen glauben, deren Sadismus nicht so ausgeprägt ist?
Diese haben die Einladung zur Hochzeit ausgeschlagen. Ihr Schicksal zeigt Johannes mit einem dramatischen Bild:
Dann sah ich einen Engel, der in der Sonne stand. Er rief mit lauter Stimme allen Vögeln zu, die hoch am Himmel flogen: Kommt her! Versammelt euch zum großen Mahl Gottes! Fresst Fleisch von Königen, von Heerführern und von Helden, Fleisch von Pferden und ihren Reitern, Fleisch von allen, von Freien und Sklaven, von Großen und Kleinen! … Die Übrigen wurden getötet mit dem Schwert, das aus dem Mund des Reiters kam; und alle Vögel fraßen sich satt an ihrem Fleisch.(Offbg. 19:17,18,21, EÜ)
Hier zitiert die Bibelschule nur auszugsweise, was man auch an die
Übrigen
merkt. In den unterschlagenen Sätzen werden das Tier
und
der falsche Prophet
in einen See von brennendem Schwefel geworfen. Wer
genau ist der falsche Prophet? Jene Autoren etwa, die vor über 1900 Jahren einen
nicht eintreffenden Weltuntergang vorhergesagt haben?
Die Übrigen
sind dann diejenigen, die – in der Welt, die Gott so
eingerichtet hat – in den vorherigen Kapiteln vom erwähnten Tier mit Gewalt
gezwungen wurden, es anzubeten. Gott hat es mit Freiwilligkeit nicht so, und
wenn man der Apokalypse und der Interpretation der Bibelschule glauben darf,
bestraft Jesus höchstpersönlich die Opfer dieser Gewalt mit der dümmstmöglichen
Art, ein Schwert zu halten. Sagen wir, es wäre möglich, pro Sekunde vier
seitliche Schläge mit einem Schwert im Mund zu machen, durch entsprechende
Kopfbewegungen, und die Menschen zum Niedermetzeln wären so aufgestellt, dass
jeder Schlag trifft. Dann gehen wir von acht Milliarden Menschen aus, die nicht
Adventisten sind, also zu jener Abspaltung von Abspaltungen gehören, die endlich
gecheckt haben, wie wahres Christentum funktioniert. Dann dauert dieses
schwachsinnige Gemetzel mehr als 63 Jahre! Viel Spaß beim Verfilmen. (Natürlich
würden Menschen fliehen und die jesussche Mordrate wäre um ein Vielfaches
kleiner, wodurch das Ganze sich auf Jahrhunderte erstreckte.)
Ein erschütterndes Bild. Wir würden uns sicherlich mehr freuen, wenn es nicht in der Bibel wäre.
Ja, es ist halt drinnen. Viele Christen versuchen, die Bibel zu ignorieren und sich einen lieben, positiven Jesus vorzustellen, der halt mit der Überlieferung nichts zu tun hat. Das ist eine Möglichkeit, die kognitive Dissonanz zu bekämpfen. Ein Weltbild ohne GöttInnen ist jedoch noch besser.
Aber alles hat zwei Seiten. Und Gott will uns nicht im Unklaren lassen darüber, was passiert, wenn wir sein Angebot ausschlagen. Er zeigt uns beide Alternativen auf. Das ist gerecht.
Dies wäre argumentierbar, wenn nicht Dutzende andere Religionen mit exklusivem, aber genauso unbelegtem Wahrheitsanspruch existierten. Aber es gibt sie. Keine von ihnen kann zeigen, dass ihre Lehren besser belegt wären als jene der anderen. Sie können logisch nicht alle wahr sein, aber sehr leicht alle falsch.
Um die sehr falschen auszusortieren, reicht es, die als falsch erkennbaren und erkannten Aussagen zu zählen, sie mit den als wahr erkannten zu vergleichen, und das gleiche Verhältnis auf die anderen, nicht verifizierbaren Aussagen anzuwenden. Und da schaut die Bibel wirklich nicht gut aus. Wer daran glaubt, dass sie als Ganzes wahr ist, hat jedweden Realitätsbezug verloren.
Die Kontraste im Buch der Offenbarung sind erschütternd, weil sie im Leser den Eindruck einer chaotischen Welt erwecken. Aber wir haben uns so sehr an Unrecht und das Böse gewöhnt, dass wir uns das Leben ohne sie nicht vorstellen können. Es kommt uns so vor, als hätte das Böse immer dazu gehört.
Wir wissen von Massakern, die stattfanden, als die Idee der Bibel noch nicht einmal existierte. Die mesopotamischen Kulturen, die Jahrtausende vor den ersten Christen die später als exklusiv jüdisch ausgegebenen Geschichten aufschrieben, betrieben schon Kriege und Sklaverei. Das Böse gehört zum Menschen, und auch im 21. Jahrhundert schafft es noch nicht jede Gesellschaft, es unter Kontrolle zu halten. Das zeigen zum Beispiel die Gräueltaten der russischen Besatzer in der Ukraine. Wer wirklich argumentieren will, dass die Welt und die Menschen von Gott so erschaffen wurden, muss mit dieser Konsequenz leben. Märchen von sprechenden Schlangen sind keine geeignete Erklärung.
Aber sobald Jesus wiederkommt, wird das alles getilgt:
Dann sah ich einen Engel vom Himmel herabsteigen; auf seiner Hand trug er den Schlüssel zum Abgrund und eine schwere Kette. Er überwältigte den Drachen, die alte Schlange - das ist der Teufel oder der Satan -, und er fesselte ihn für tausend Jahre. Er warf ihn in den Abgrund, …(Offenbg. 20:1-3, EÜ)Von da an sind Satan
die Hände gebunden. Er verliert seine Macht. Er hat kein Betätigungsfeld mehr. Jetzt herrschen die Menschen, die sich für Jesus entschieden haben. Bei seiner Wiederkunft werden sie auferweckt oder entrückt und sie herrschen mit ihm.
Tipp an einen allmächtigen Gott bzw. die Autoren, die über einen solchen schreiben: Es wäre vielleicht besser gewesen, diese Dinge vorher zu erledigen. Ein allmächtiger Gott, wenn es ihn gäbe, könnte die heilige Schrift, so sie von ihm stammte, jede Nacht auf den Himmel projizieren. Dann würden Menschen auch ohne Gewalt und Androhung von Gewalt an ihn glauben, ohne leiden zu müssen. Das ist alles frei erfunden – und nicht einmal gut erfunden.
Das ist die erste Auferstehung. Selig und heilig, wer an der ersten Auferstehung teilhat! Über solche hat der zweite Tod keine Gewalt.(Offenbg. 20:5-6, EÜ)
Schon Jesus sprach davon, dass es zwei Auferstehungen geben wird. Eine Auferstehung fürs Leben und eine fürs Gericht (Joh 5:28-29). Diese Aussage bestätigt das Buch der Offenbarung. Nachdem die Zeit, in der Satan gefesselt ist, vorbei ist, werden jene Tote auferstehen, die an der ersten Auferstehung nicht teilnehmen konnten. Mit ihnen startet Satan einen letzten Angriff. Ohne Erfolg.
Die zitierte Stelle (!) im Johannes-Evangelium besagt, dass diese beiden
Auferstehungen gleichzeitig stattfinden. Wie soll man in so einer Schule
etwas lernen
?
Satans Angriffe sind für immer zu Ende. Seine Vernichtung ist endgültig. Auch jene Menschen werden gerichtet, die den Ruf Gottes zurückgewiesen haben.
Es gab keinen solchen Ruf und es gibt diesen Gott nicht. Idiotische Märchen wurden erzählt, und viele Leute haben sie geglaubt. Das geht endlich langsam zu Ende, jede Generation ist weniger religiös als die vorherige, und den Märchenerzählenden geht die Kundschaft aus.
Sie wurden gerichtet, jeder nach seinen Taten. Der Tod und die Unterwelt aber wurden in den Feuersee geworfen. Das ist der zweite Tod: Der Feuersee.(Offenbg. 20:13-14, EÜ)Das Motiv des Feuers, das alles reinigt, kommt hier wieder hervor. Es deutet darauf hin, dass die Vernichtung vollständig sein wird.
Was jetzt? Reinigung oder Vernichtung? Eigentlich egal, die Erde wurde ja schon vor vielen Kapiteln vernichtet.
Johannes schreibt vom zweiten und endgültigen Tod, aus dem es keine Auferstehung mehr gibt. Das Feuer verschlingt alles Böse und Unvollkommene auf der Erde, damit der Weg frei wird für eine umfassende Neuschöpfung. Das Wichtige ist: Gottes Ziel ist nicht die Zerstörung. Er will etwas Neues schaffen.
Hier stellen sich die Autoren der Bibelschule wieder dumm. Gäbe es einen allmächtigen und guten Gott, der mit seiner Schöpfung auf der Erde unzufrieden ist, könnte er einfach auf einem andere Planeten neu beginnen. Er müsste nicht die Erde zerstören. Aber das haben die primitiven ersten Anhänger eines Jesus-Kultes am Ende des ersten Jahrhunderts noch nicht gewusst.
Klug ist jemand, der/die das eigene Weltbild anhand neuer gesicherter Information anpassen kann. Wer alte, widerlegte Schriften als ewig gültige Wahrheit verehrt, ist … nicht klug.
Es wird einen neuen Himmel und eine neue Erde geben. Diesmal werden wir auch Zeugen der Neuschöpfung sein. Wir nehmen teil daran. Der Idealzustand wird Wirklichkeit:
Dann sah ich einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, auch das Meer ist nicht mehr. Ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott her aus dem Himmel herabkommen; sie war bereit wie eine Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat. Da hörte ich eine laute Stimme vom Thron her rufen: Seht, die Wohnung Gottes unter den Menschen! Er wird in ihrer Mitte wohnen und sie werden sein Volk sein; und er, Gott, wird bei ihnen sein. Er wird alle Tränen von ihren Augen abwischen: Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen.(Offenbg. 21:1-3, EÜ)
Nach der Vernichtung unserer Galaxie und ihrer gesamten Umgebung durch den Einschlag eines Drittels aller Sterne wird ein neues Jerusalem auf die Erde (die dann wohl tausende Lichtjahre weiter weg sein muss, weil dort, wo sie war, supermassive schwarze Löcher herumschwirren) kommen. Und wir können endlich mit Gott, dem alten Rabauken zusammenleben. Uns seine Vorhautsammlung anschauen, mit ihm darüber diskutieren, unter welchen Umständen Völkermord, die sexuelle Versklavung von Frauen und die Verbreitung von Falschinformationen richtig sind. Und wenn es keinen Tod mehr gibt, wird uns irgendwann ganz langweilig, weil wir alles schon zu oft gemacht haben. Menschen, die das zu Ende denken, wollen diese Zukunft gar nicht. Die Ewigkeit ist eine sehr lange Zeit.
Haben wir vielleicht Angst, nicht dort sein zu dürfen? Dafür haben wir wirklich keinen Grund. Egal wie kalt und furchterregend die Beschreibung der Vorgänge auf der anderen Seite der Tür ist – dies ist nur eine Seite. Auf der anderen Seite der Tür steht Jesus:
Ich, Jesus, habe meinen Engel gesandt als Zeugen für das, was die Gemeinden betrifft. Ich bin die Wurzel und der Stamm Davids, der strahlende Morgenstern. Der Geist und die Braut aber sagen: Komm! Wer hört, der rufe: Komm! Wer durstig ist, der komme! Wer will, empfange unentgeltlich das Wasser des Lebens!(Offenbg. 22:16-17, EÜ)Wir sind alle eingeladen. Es liegt an uns, ob wir diese Einladung annehmen oder zurückweisen. Jetzt, in diesem Leben müssen wir uns die Wahl überlegen. Später wird es nicht mehr möglich sein. Aber das ist auch nicht notwendig. Wir können nämlich schon heute sagen:
Ich komme!Das ist alles, was Jesus erwartet. Worauf sollen wir noch warten?
Aufs Ende dieser dummen Lektion vielleicht? Basierend auf wirren Phantasietexten?
Die Autoren der Evangelien haben ihrer Figur Jesus mehrmals das Versprechen in den Mund gelegt, dass die hier beschriebenen Ereignisse unmittelbar bevorstehen. Damit ist jede Glaubwürdigkeit der Story dahin. Man muss gar nicht weiter schauen. Das allein disqualifiziert schon das Christentum 1900 Jahre nach ihrer Entstehung. Dass die alten Schriften genauso sind wie erwartet – aus der Perspektive primitiver, wissenschaftsfeindlicher, ungebildeter religiöser Fanatiker geschrieben, und nur Phänomene darstellend, die in genau der Zeit bekannt waren –, ist weitere Evidenz gegen sie.
Dass schon zur Entstehungszeit der Offenbarung, Ende des ersten bis Anfang des zweiten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung, sogenannte heilige Schriften wild umgeschrieben wurden und die Autoren das gar nicht gut fanden, zeigt das Ende des Buches und damit der ganzen Bibel:
Wer etwas hinzufügt, dem wird Gott die Plagen zufügen, von denen in diesem
Buch geschrieben steht. Und wer etwas wegnimmt von den prophetischen Worten
dieses Buches, dem wird Gott seinen Anteil am Baum des Lebens und an der
heiligen Stadt wegnehmen, von denen in diesem Buch geschrieben steht.
(Offenbg. 22:18-19, EÜ)
Es ist ein gutes Gefühl, mit diesen Kapiteln durch zu sein. In der Lektion ist
noch eine Tabelle von Bibelstellen zur weiteren Vertiefung
, aber dieses
Angebot nehme ich aktuell nicht an.
Es gibt keine abschließende Prüfung am Ende der letzten Lektion, die Fragen beziehen sich auf die Inhalte aus diesem Kapitel, also großteils die Offenbarung. Am Ende gibt es aber noch die Möglichkeit, Feedback zu geben. Ich habe mich für die gute Unterhaltung bedankt.
Ich denke, Siebenten-Tages-Adventist werde ich auf dieser Basis nicht werden. Vielleicht spricht mich eine andere Bibelschule in Zukunft mehr an.