Leserbrief zur Zukunft der Theologie an feinschwarz.net

Es war relativ klar, dass der letzte Beitrag zu lang und zu kritisch ist, um bei feinschwarz.net als Leserbrief akzeptiert zu werden. Um doch eine Diskussion über die Qualität des stark beworbenen Beitrags zu starten, habe ich einen im Ton abgeschwächten und viel kürzeren Text als Leserbrief eingeschickt.

Der Leserbrief

Der viel beachtete, unter anderem auf religion.orf.at und auf der Homepage der Kath.-Theologischen Fakultät der Universität Wien verlinkte Beitrag „Es steht viel auf dem Spiel. Zur Zukunft der Theologie“ von gezählten 17 aktiven und ehemaligen akademischen Pastoraltheolog:innen hat für mich mehr Fragen aufgeworfen als er beantwortet hat.

Er beginnt mit der Feststellung, durch ein Zitat belegt, die Kirche verspiele ihre Glaubwürdigkeit. Dies wird mit der schwindenden Anzahl von Theologiestudierenden verknüpft. Eine sinnvolle Schlussfolgerung. Dann wird von Plänen berichtet, die Priesterausbildung an wenigen Orten zusammenzuziehen. Ein gewisser Zusammenhang zwischen Theologiestudium und Priesterausbildung ist offensichtlich (wenn auch nicht im Fall von Professorinnen der katholischen Theologie), aber was genau ist das Problem, und wie soll es gelöst werden? Im Beitrag geht es danach nur mehr um Herausforderungen der Theologie.

Dann gleich die Feststellung: „Die Theologie hat eine säkulare Aufgabe.“ Dies ist für den Laien etwas überraschend, ähnlich wie die Aussage „Die anorganische Chemie hat eine musikalische Aufgabe“. Man kann so etwas argumentieren, aber nur mit guten Belegen. So führt das nur zu ungläubigem Staunen. Wie hilft die Theologie genau, die Probleme in „Konflikten und Krisen“ der Welt zu lösen? Kein einziges Beispiel, nur unverbindliche Worthülsen. Eine Suche auf Google nach der Phrase „Säkulare Aufgabe der Theologie“ ergibt 0 Treffer. Die ersten drei Treffer für “säkulare Aufgabe” Theologie sind dieser Beitrag und zwei Berichte darüber.

Im Teil IV. erklären die Autor:innen, welche Scheuklappen und Leitplanken die Theologie einschränken: sie „steht in der Pflicht des Volkes Gottes“, „in der Treue zu Gott“. Die Autor:innen, in der akademischen Praktischen Theologie tätig, erklären: „Theologie ist zuletzt eine praktische Wissenschaft.“

Gleich darauf, im Teil V. folgt die überraschende Behauptung: „Die christliche Theologie ist eine Wissenschaft wie jede andere“. Wozu dieses verbale Eigentor? Warum zuerst die selbst angelegten Zwangsjacken nennen und dann gleich noch die Verpflichtung auf die biblische Botschaft, wenn man argumentieren will, die Theologie sei eine mit den anderen, die keine solchen Fesseln haben, gleichwertige Wissenschaft?

Die normativen Forderungen am Ende des Artikels können die Widersprüche nicht mehr auflösen, sie vertiefen sie stellenweise nur.

Bei den ersten drei Forderungen ist es schwer vorzustellen, wie ein Theologiestudium, das sie umsetzt, sich von einem, das sie nicht umsetzt, unterscheiden würde. Sagen wir, an der Uni Wien begreift das Studium „Theologie als Projekt der eigenen Existenz“ und in Linz nicht. Was ist dann anders? Würden Studierende deswegen von Linz nach Wien wechseln oder umgekehrt? Ein höherer Anteil das Studium abschließen? Ein anderes Verhältnis zu ihrem Gott haben? Dies wäre eine sinnvolle Forschungsfrage für die Praktische Theologie.

Die Forderung, das Studium müsse von der Kirche begleitet werden, folgt aus den Aussagen vorher auch nicht. Angesichts der kirchlichen Kontrolle über die Professuren und nach dem anfänglichen Argument, die Kirche wäre gerade kein guter Partner, nicht nur ein non sequitur, sondern geradezu widersinnig.

Das Theologiestudium, das zur „Übernahme von Mitverantwortung“ „ermutigt“, ist eines, das gerade die unverbindliche Untergrenze von Humanität erreicht. Sollten die Ziele eines Studiums nicht höher gesteckt werden?

Forderung Nr. 6. ist schließlich, dass die Theologie um ihre „säkulare Aufgabe“ wissen soll. Auch hier eine absurde, reine Behauptung, aber Hauptsache „tatkräftig angegangen“.

Ich bin mir im Gegensatz zu den Autor:innen nicht so sicher, ob Wissenschaft und Gesellschaft eine Theologie wie hier von den Verfasser:innen dargestellt, komplett ohne Anspruch an Kohärenz und Realitätsinn, brauchen. Vielmehr hat der Beitrag unfreiwillig demonstriert, warum das Theologiestudium an Attraktivität verliert – ähnlich wie die dahinterstehende religiöse Organisation.

Solche Texte mögen als gesprochene Predigt funktionieren – wenn das Publikum keine Zeit zum Nachdenken über die Inhalte hat, fallen die logischen Purzelbäume und die Widersprüche nicht so auf. Bei einem geschriebenen Text fallen sie jedoch auf und untergraben die sicherlich gut gemeinte Aussage.

Reaktionen

Am nächsten Tag wurde der Eingang des Leserbriefs bestätigt und angegeben, dass er an die AutorInnen des ursprünglichen Beitrags weitergeleitet wurde, um eine Stellungnahme zu erhalten.

Nachdem eine Woche lang nichts geschah, habe ich am 4. Juni nachgefragt, ob es schon eine Stellungnahme gibt, warum das notwendig sei (die anderen Leserbriefe auf der Seite haben ja keine Stellungnahmen der Original-AutorInnen) und ob es schon einen Zeitrahmen für die Veröffentlichung gibt.

Dies wurde beantwortet mit der Feststellung, dass nicht alle Leserbriefe veröffentlicht werden.

Erst einen ganzen Monat später, nach erneuter Nachfrage, kam eine Reaktion von einem der Autoren des ursprünglichen Beitrags.

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