Spass-Religion, Edition Juni 2023

Die Noch-Mehrheitsreligion in Österreich, ehemalige (mit Gewalt durchgesetzte) Staatsreligion, wirft anderen gerne einmal vor, keine richtige, ernst gemeinte Religion zu sein. Das hat sogar Folgen für die Religionsfreiheit der Betroffenen. Aber es ist in Wirklichkeit die römisch-katholische Kirche, die ihre eigenen über Jahrhunderte gewachsenen Regeln verwendet, um den Katholizismus lächerlich zu machen und klarzustellen, dass er nicht ernst gemeint sein kann.

Zwei Lebensmittel im weitesten Sinn sind im Ablauf der römisch-katholischen Gottesdienste sehr wichtig: Die Hostie und der Wein.

Die Auseinandersetzungen über die exakte Beschaffenheit der Hostie (laut Bibel eigentlich: Brot) haben zu ganzen Kirchenspaltungen geführt, das ist also eine sehr wichtige Frage. In der katholischen Messe werden simple geschmacklose Oblaten real zum Leib Jesu Christi, zumindest nach der offiziellen Lehre der Kirche. (Das ist schon ein gutes Setup für Satire.)

Der Wein muss ausschließlich aus Trauben hergestellt sein; Zusätze, die in der modernen Weinkultur üblich sind, sind nicht erlaubt. Für Priester mit Alkoholproblemen und für Jugendliche im Gottesdienst ist aber auch kein Wein, sondern reiner Traubensaft zulässig. Aus dem Wein (oder Traubensaft) wird das Blut Christi. Die katholische Theologie hat sich noch nicht ausführlich dazu geäußert, ob der unterschiedliche Ausgangsstoff auch einen anderen Promille-Level im Blut bewirkt. (Der Absurditätslevel steigt und steigt, aber da diese Dinge bekannt sind, braucht es einen unerwarteten Auslöser, damit das Lachen explosionsartig ausbrechen kann.)

Diese Dinge sind wichtig. Deswegen bedurfte es eines offiziellen Briefes des Erzbischofs von Kansas, um die Kleriker in seiner Diözese zu informieren, dass sie das bitte beachten mögen. Nicht alle Weine, die für Gottesdienste verwendet wurden, erfüllen die strengen Kriterien dafür. Selbst wenn sie als sacramental ausgewiesen waren: Sorry, das ist nur eine unregulierte Selbstbezeichnung des Herstellers, reines Marketing.

OK, in einem normalen Umfeld würde man die Bestände überprüfen und es zukünftig richtig machen, bis etwa drei bis fünf Jahre später alles vergessen ist und der Schlendrian und die Zwei-zum-Preis-von-einem-Angebote im Supermarkt wieder stärker sind. Aber nicht in der römisch-katholischen Kirche. Zauberbluttrinken hat dort ernsthaft Zauberwirkung. Der Erzbischof in seinem Brief:

The result of this long-term practice in these parishes is that for any number of years all Masses celebrated were invalid and therefore the intentions for which those Masses were offered were not satisfied

Das Ergebnis dieser langjährigen Praxis in diesen Pfarren ist, dass über Jahre alle zelebrierten Messen ungültig waren und deswegen die Zwecke, für die sie zelebriert wurden, nicht erfüllt wurden

Dschisös. Erntedank-Messen, bei denen man sich nach einer harten und arbeitsreichen Landwirtschafts-Saison beim imaginären Freund für die Ergebnisse bedankt: Ungültig. Die Messe für den Opa, bei dem man hofft, ihn trotz seines Lebenswandels zumindest für fünf Jahre aus dem Höllenfeuer rauszuhalten: Nichtig. Eine kirchlich geschlossene Ehe: Ist sie wirklich eine Ehe? Oder hat man die ganzen Jahre mit dem standesamtlich, aber nicht kirchlich geheirateten Ehepartner ehegebrochen? Das sind die großen Fragen des 21. Jahrhunderts in der katholischen Kirche.

This is a gravely serious situation for which we must now petition the Holy See for guidance on restorative measures.

Dies ist eine schwerwiegend ernste Situation, in der wir den Heiligen Stuhl für die Anleitung zu Korrekturmaßnahmen bitten müssen.

(Für die deutschen LeserInnen bleibt die feine Ironie, dass Stuhl in Österreich seltener für den Sitzmöbel als für feste Exkremente steht, verborgen. Holy Shit.)

Falsche Entscheidungen im Supermarkt, ein paar gesparte Dollar: Über Jahre wurden Leben von Gläubigen ruiniert. Glücklicherweise nicht real, nur in ihrer Vorstellung. Eine Kirche, die ihre Angehörigen schädigt, und ihre eigene Reputation mit dazu. An erfundene Dinge zu glauben ist schädlich: Hier in erster Linie für jene, die das tun; die Auswirkungen auf die Gesellschaft sind in diesem Fall glücklicherweise geringer. (Lachen ist sogar gesund, aber die Leute, die an so etwas glauben, haben tatsächlich das Wahlrecht.)

Wie schaut’s mit Hostien aus? Viel besser. Da gibt es keine Diskussionen über die Echtheit: Das fade Zeug würde niemand freiwillig außerhalb des Gottesdienstes essen. Es ist kein Genussmittel wie Wein. In Thomaston, Connecticut (USA) ist jedenfalls ein echtes Wunder geschehen. Die Diözese lässt untersuchen. Die heiligen Kekse – ungezählt – wurden in einer Schüssel herumgereicht und die Anwesenden hatten den Eindruck, dass sie beim Herausnehmen nicht weniger wurden. Es könnte natürlich sein (in der atheistischen Propaganda des Teufels), dass der Priester zwischendurch eine weitere Packung reingeleert hat oder einfach nicht zählen kann, oder dass die Gemeinde an diesem Tag keine große Lust auf essbare Pappe hatte. Aber die weitaus wahrscheinlichste Erklärung ist klar, dass der Allmächtige zwischen dem Parkplatz-Organisieren, bei Prüfungen unterstützen, Dank der Torschützen beider gegnerischer Fussballmanschaften entgegennehmen usw. kurz die Zeit fand, in diese Schüssel mehr und mehr von seinem eigenen Körper hineinzulegen, selbst wenn er dann nicht gegessen wurde. Dies – in Thomaston, Connecticut natürlich – ist die klare Priorität fürs Jahr 2023, nicht etwa Krieg, Dürre und anderswo Überschwemmungen, Klimakatastrophe und soziale Ungerechtigkeit. Hauptsache, die Zauberkekse sollen an diesem Tag nicht weniger geworden sein. Gottes Wege sind unergiebig.

Wer die Lachmuskeln weiter trainieren möchte, kann sich noch den Dümmsten Anzunehmenden Glaubensunfall des Vorjahres zu Gemüte führen. Gute Komiker kommen regelmäßig mit neuem Programm raus. Im Vorjahr waren es ungültige Taufen, die beim ungültig getauften Pfarrer natürlich zu multiplizierten negativen Konsequenzen in den magischen Auswirkungen der magischen Rituale führten. Heuer die wichtigsten Lebensmittel in der wichtigsten Zeremonie der Religion.

Ist das alles ernst gemeint? Von außen ist das nicht festzustellen. Die absurd komischen Züge überwiegen so stark, dass die Hypothese, es handle sich um einen fast zweitausend Jahre alten Scherz, der sich verselbständigt hat und auf hohem Niveau weitergeführt wird, immer plausibler wirkt. Wogegen eh nichts einzuwenden ist, nur sollten die Vertreter aufhören, andere als Religionssatire oder Spaß-Religion zu bezeichnen. Oder? Vielleicht sind sie ja die wahren Experten für Religionssatire?

Die Scherz-Hypothese ist tatsächlich die freundlichere. Die Alternative wäre nämlich, dass die zweifellos vorhandene Komik aus der Richtung so blöd können sie nicht wirklich sein kommt.

Es ist ähnlich wie in der österreichischen Politik. Die KabarettistInnen müssen regelmäßig feststellen, dass ihre Fantasie keine Chance gegen die Realität hat. Religionssatire tut sich in ähnlicher Weise schwer, solange die größte Religionsgemeinschaft der Welt ihre realen Probleme so löst.

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