Antwort auf den Leserbrief zur Zukunft der Theologie
Einen Monat nach Einsenden des Leserbriefs und einer weiteren Nachfrage bei der feinschwarz-Redaktion nahm dann doch ein Professor vom Institut für Pastoraltheologie und Pastoralpsychologie der Universität Graz Stellung.
Seine Punkte waren:
Die säkulare Aufgabe der Theologie sei aus Punkt 3 der Pastoralkonstitution des II. Vatikanischen Konzils Gaudeum et spes abgeleitet.
Wie man dort leicht sehen kann, geht es in diesem Punkt nicht um Aufgaben der Theologie. Das Dokument ist „ÜBER DIE KIRCHE IN DER WELT VON HEUTE“.
Der zitierte Punkt 3 nennt explizit das Konzil als Träger der Aufgabe; Theologie kommt erst später vor.
Punkt 44: „Es ist jedoch Aufgabe des ganzen Gottesvolkes, vor allem auch der Seelsorger und Theologen, unter dem Beistand des Heiligen Geistes auf die verschiedenen Sprachen unserer Zeit zu hören, sie zu unterscheiden, zu deuten und im Licht des Gotteswortes zu beurteilen, damit die geoffenbarte Wahrheit immer tiefer erfaßt, besser verstanden und passender verkündet werden kann.“
Dies ist alles andere als eine säkulare Aufgabe.
Punkt 62: „Die Vertreter der theologischen Disziplinen an den Seminarien und Universitäten sollen mit hervorragenden Vertretern anderer Wissenschaften in gemeinsamer Bemühung und Planung zusammenzuarbeiten suchen. Die theologische Forschung soll sich zugleich um eine tiefe Erkenntnis der geoffenbarten Wahrheit bemühen und die Verbindung mit der eigenen Zeit nicht vernachlässigen, um den in so verschiedenen Wissenszweigen gebildeten Menschen zu einem umfassenderen Glaubensverständnis verhelfen zu können.“
Dies ist auch nicht säkular: Die Theologie liefert das „Glaubensverständnis“ zu dem Wissen, das andere herausgearbeitet haben.
Die Theologie sei wegen ihrer „methodischen Rechenschaftspflichtigkeit“ sehr wohl eine Wissenschaft wie jede andere, sie besitze halt eigene „konstitutive Merkmale“, wie jede andere Wissenschaft.
Das ist nichts anderes als Geschwurbel.
Unumstößliche, unfalsifizierbare Dogmen als „konstitutive Merkmale“ hat keine andere Wissenschaft.
In meinen Studien wurden mir solche nicht genannt. Im Gegenteil: Weder in Wirtschaftsinformatik noch in Statistik, auch nicht in Publizistik- und Kommunikationswissenschaft wurden wir auf eine „Pflicht des Volkes Gottes“, die Evangelien oder eine „biblische Botschaft“ (alles Zitate aus dem Manifest) hingewiesen. Die Methoden wurden uns nicht „offenbart“, sondern erklärt und belegt. Die Aussage, „jede Wissenschaft“ hätte solche Merkmale, ist mindestens durch die drei genannten Fächer widerlegt.
Im Gegenteil: jede Wissenschaft ist bereit, ihre Grundlagen zu belegen (statt sie aus Dogmen herzuleiten), in Frage zu stellen (statt sich auf eine konkrete Botschaft zu verpflichten) und wenn sie falsifiziert wurden, zu verwerfen.
Ich kann auch die Implikation, dass solche Grundlagen keinerlei Auswirkungen auf die Methodologie haben sollen, nicht nachvollziehen.
Wenn die „methodische Rechenschaftspflichtigkeit“ Logik beinhaltet, ist die Aussage z. B. mit Bezug auf die Evangelien nicht interpretierbar: Sie können mit ihren Widersprüchen nicht alle gleichzeitig wahr, aber sehr leicht alle unwahr sein. Sich auf sie zu verpflichten statt sie zu verwerfen ist intellektuell unredlich und methodisch falsch, wenn die „Rechenschaftspflicht“ einen Bezug zur irdischen Logik haben soll.
Es gab und gibt Diskussionen um den Wissenschaftscharakter der Theologie, und es sei gut, dass sie geführt werden.
Das ist richtig. Man befördert halt nicht das Verständnis des Wissenschaftscharakters der Theologie, indem man die eigenen Aussagen in einem Manifest untergräbt.
Zur „Theologie als Projekt der eigenen Existenz“ sollten die Ausführungen festhalten, dass jene, die sie betreiben, sie übers Wissenschaftliche hinausgehend für wichtig halten.
Darum ging es im Leserbrief überhaupt nicht; die Kritik war, dass die „praktische Theologie“ überhaupt nicht ausführt, wie sie diese Forderung, die sie selbst umsetzen kann, in der Praxis operationalisieren würde.
Aber es ließe sich auch die Frage stellen, was es für die Objektivität eines Betätigungsfeldes bedeutet, wenn es einerseits um die Existenz kämpft und andererseits externen und internen Zwängen unterliegt.
Ziel des Manifests sei gewesen, die Leistungen der Theologie in der säkularen Gesellschaft aufzuzeigen und Diskussionen darüber anzuregen.
Die Leistungen der Theologie in der säkularen Gesellschaft wurden nur behauptet, nicht aufgezeigt. Dies war der Kern meiner Kritik, und auch die Ausführungen des Professors lieferten keine weiteren Belege, nur einen expliziten Nicht-Beleg.
Leider hat weder feinschwarz.net den Leserbrief veröffentlicht noch der Professor auf meine Punkte (die hier wiedergegeben sind) nochmal reagiert.
Die ehrliche Diskussionsbereitschaft ist also derzeit in Frage zu stellen.