Schluss mit der Brieffreundschaft
Nach vier Briefen meiner Zeugen-Jehovas-Brieffreundin wird es Zeit, sie aufzuklären, wer ich bin, und ihre Punkte nochmal mit Nachdruck zu entkräften.
Ich schreibe ihr noch eine E-Mail und hoffe, dass sie daraus lernt – zumindest, mich nicht mehr zu kontaktieren.
Alle Teile dieser Serie:
- 1. Briefe von den Zeugen
- 2. Neues von der Brieffreundin
- 3. Die Zeugin bezeugt ihr Zeugnis
- 4. Zeugin des Kreationismus
- 5. Schluss mit der Brieffreundschaft
Liebe …,
vielen Dank für den letzten Brief. Er lässt mich etwas ratlos zurück. Interessant, dass die Zeugen Jehovas so streng sind bei der Frage der Wunder. Die katholische Kirche hat ja eine eigene Wunderkommission, Freikirchen werben mit Heilungswundern. Die Zeugen Jehovas empfehlen, nur an vergangene, aber nicht an aktuelle und zukünftige Wunder zu glauben. Das ist ein sehr schmaler Streifen von Leichtgläubigkeit, in dem ich mich irgendwie nicht repräsentiert fühle.
Zu den Prophezeiungen der Bibel, die sich bis ins kleinste Detail erfüllt haben sollen, habe ich das hier gefunden: https://manglaubtesnicht.wordpress.com/2017/01/30/der-prophetisch-mathematische-gottesbeweis-von-werner-gitt
Offensichtlich sind viele Prophezeiungen
dabei, die später erst nach dem
Ereignis hineingeschrieben wurden; manche sind einfach falsch. Ich habe wie
empfohlen begonnen, die Bibel zu lesen, und fand gleich in 1 Mose 2,16-17
folgendes: Von allen Bäumen des Gartens darfst du essen, doch vom Baum der
Erkenntnis von Gut und Böse darfst du nicht essen; denn am Tag, da du davon
isst, wirst du sterben.
Das ist doch eine Prophezeiung, direkt von Gott, und
eines der ersten Dinge, die er den Menschen angeblich sagt. Auf den
nachfolgenden Seiten wird klar, dass nicht mal diese klare Voraussage erfüllt
wird – niemand stirbt am gleichen Tag. Und ist es ein guter Gott, der seinen
Kindern gerade Erkenntnis untersagen will? Ich habe weitergeblättert und nur
Unsinn, Unwissen, Menschenrechtsverletzungen und Massenmord gefunden, und noch
ganz viele unbelegte Behauptungen, die nur mit religiösem Wahn zu erklären sind.
Mittlerweile weiß ich auch, dass die Zeugen Jehovas und andere christliche Gruppen konkrete Termine für den in der Bibel prophezeiten Weltuntergang berechnet haben, die alle ereignislos verstrichen sind. Jesus selbst soll in drei Evangelien den Anwesenden versprochen haben, dieses Ereignis trete noch in ihrer Lebenszeit ein. Offenkundig ist das alles nicht passiert. Die Menschen, die auf Basis der Vorhersagen ihren Besitz vergeben haben, sind aber schwer geschädigt und enttäuscht worden.
An dieser Stelle frage ich mich, was ich Ihnen und Ihrem offensichtlich nicht wirklich gutem Buch überhaupt glauben kann.
Die Diskussion, ob Jesus Gott ist, überlassen wir besser Menschen, die dümmer sind als wir. Da ich an GöttInnen nicht glaube und die Existenz von Jesus historisch für nicht gut belegt halte, brauche ich mich damit nicht zu beschäftigen. In dieser Frage können nicht beide Seiten gleichzeitig richtig liegen, aber sehr leicht beide falsch. Es wäre natürlich erfreulich für Sie, wenn genau Ihre Abspaltung von der Abspaltung von Abspaltungen der ca. zwei- bis dreitausend christlichen Bekenntnis-Varianten endlich geschafft hätte, die Bibel genau richtig zu interpretieren. Bis zum Nachweis des Gegenteils behalte ich Abstand zu allen Variationen dieser chaotischen Ansichten von Gruppen, die sich alle als das einzig wahre Christentum definieren.
Die kreationistischen Materialien habe ich mit Interesse durchgelesen. Hier hört der Spaß langsam auf; Sie und Ihre Glaubensgemeinschaft schaden der naturwissenschaftlichen Bildung und versuchen, die wissenschaftliche Methode zu diskreditieren, indem Sie in scheinbar seriösen Texten die Öffentlichkeit irreführen, Äußerungen von WissenschaftlerInnen aus dem Kontext reißen und eine scheinbare Kontroverse herbeischreiben, wo keine ist. Wie nah das an gewerbsmäßigen Betrug herankommt, werden wohl irgendwann die Gerichte klären. Intellektueller Betrug ist es jetzt schon. Glücklicherweise haben die meisten Menschen bereits gelernt, den Zeugen Jehovas nicht zu vertrauen und sie nach Möglichkeit zu meiden.
Bei der Durchsicht unserer bisherigen Kommunikation ist mir aufgefallen, dass
Sie mir regelmäßig die Unwahrheit geschrieben haben. Ich mache Sie persönlich
dafür nicht verantwortlich, schließlich wurden Sie offensichtlich schon sehr
lange und intensiv angelogen, von Menschen, die es besser wissen müssten, und
anderen, die es offenkundig nicht besser wissen. Sie haben Bibelstellen zitiert,
die mit Ihrer Aussage nichts zu tun hatten; beim Lesen im Kontext fiel auf, dass
die Stellen willkürlich herausgerissen sind, um einer positiven
Wohlfühl-Erzählung zu dienen, obwohl der Text rundherum von etwas ganz anderem
handelt. Sogar zu Baal und Aschera haben Sie die Bibelstellen vergessen
, die
ganz klar erwähnen, dass ihre Statuen aus dem Tempel entfernt wurden (2
Könige 23,4) – es
waren also nicht die wilden Nachbarvölker (die angeblich zuvor eh ausgerottet
wurden), sondern genau die Juden, die diese GöttInnen neben JHWH verehrten.
Dabei waren Sie schon ganz nah an der Wahrheit, als Sie von Mythen schrieben –
nur vergaßen Sie, dass nicht alle bis auf einen
in diese Kategorie gehören,
sondern alle. So groß ist der Unterschied zwischen uns ja in dieser Frage gar
nicht – nur genau ein mythischer Gott.
Wer mir erzählen will, die Bibel sei hundert Prozent richtig und beschriebe exakt die Geschichte, hat sich leider disqualifiziert.
Es wird vielleicht Zeit, Ihnen zu erklären, wessen Daten Sie in einer öffentlichen Datenbank, die übrigens nicht als Adressbuch für Missionierungsversuche gedacht ist, gefunden haben. Ich gehöre zu den aktivsten Atheisten in Österreich, publiziere regelmäßig zu religiösen Themen und ziehe ChristInnen und ihre albernen Aussagen gerne durch den Kakao. Ich hatte mit Ihren Briefen auch viel Spaß und zu jedem detailliert gebloggt: https://athikan.at/mission/jw/2021/11/15/brief-von-den-zeugen.html
Vielleicht lernen Sie irgendwann, besser zu recherchieren, und sich nicht mehr Opfer auszusuchen, die den Spieß umdrehen. Es wäre auch nett, wenn Sie eine zentrale Liste hätten, wen die Zeugen Jehovas in Österreich besser nicht kontaktieren – aus eigenem Interesse. Wenn Sie diese Liste haben, nehmen Sie mich bitte auf, außer, Sie lieben Herausforderungen bei Ihrer Missionstätigkeit.
Mir ist klar, dass Sie bereits sehr tief indoktriniert sind und Ihre
Zeugen-Jehovas-Angehörigkeit ein Teil Ihrer Identität ist, die Sie nie in Frage
stellen. Es gäbe auch schwerwiegende soziale Konsequenzen bis hin zur Ächtung
durch die eigene Familie, wenn Sie vom rechten Glauben
abfielen. Hoffentlich
merken Sie, dass das genau das Gegenteil von Freiheit ist und Sie sich selbst
und (wenn Sie missionieren) anderen mit dieser Lebenseinstellung und diesem
Glauben schaden. Ein anderes Wort dafür ist toxisch
, giftig. Von wegen eine
bessere Zukunft, die die Bibel verspricht. Durchs Loskommen von der Bibel hat
die Menschheit erst die Basis für die bessere Zukunft gelegt, und wir
AtheistInnen und HumanistInnen arbeiten daran, dass das so weitergeht. Sie und
Ihre Glaubensgemeinschaft
, und generell Gruppen, die auf einer 2000 Jahre
alten Lehre basieren und sich weigern, Neues zu lernen, nicht.
Ich habe versucht, Sie in die Richtung zu lenken, dass Sie Ihren Glauben
systematisch, Schritt für Schritt erklären – das kann helfen, selbst zu
begreifen, was für ein komplexes Gedankengebäude der christliche Glaube ist und
wie wenig fest die Fundamente davon sind. Die Bibel ist göttlich inspiriert?
Kein Problem, dann bitte Gott
erst mal belegen, aber ohne auf die Bibel
zurückzugreifen! Es gibt nur einen Gott? Kein Problem, aber dann bitte belegen,
warum es keine anderen geben kann usw.
Ich habe diese Systematik bereits vor Monaten zusammengeschrieben und empfehle sie Ihnen auch, um beim nächsten Mal vielleicht mehr Erfolg zu haben – oder zu merken, dass Dummes und Falsches schwerer zu belegen sind als es Ihnen vorgelogen wurde.
https://athikan.at/argumentation/bekehrung/logik/götter/2021/09/07/wie-du-uns-bekehren-kannst.html
Wenn Sie irgendwann – jetzt oder in der Zukunft – mit dem Gedanken spielen
sollten, Ihre schädliche Gemeinschaft zu verlassen, und dabei Unterstützung
brauchen, können Sie sich jederzeit an mich wenden. Das habe ich früher auch
einem anderen Zeugen
, der mich kontaktiert hat, angeboten. Aber wenn Sie
erst einmal anonym Hilfe suchen möchten, gibt es dafür auch gute Ressourcen wie
https://jz.help/.
Ich wünsche Ihnen ein schönes, gesundes und erfolgreiches neues Jahr!