In der Bibelschule (2)

Im ersten Teil bekam ich eine christliche Broschüre, von der sich dann in der Recherche herausstellte, dass sie von den Siebenten-Tag-Adventisten kommt, einer relativ kleinen, aber offensichtlich stark missionierenden Glaubensgemeinschaft. Ich nahm das Angebot, einen Online-Bibelkurs zu machen, an.

Die ersten Fragen zum einleitenden Text über die Bibel hatte ich bereits beantwortet. Schon kurze Zeit später bekam ich die Bewertung – um 22 Uhr herum an einem Feiertag. Die meisten Antworten wurden als falsch markiert – offensichtlich fehlt mir noch der Glaube an die Bibel. In Kommentaren bekam ich verschiedene Hinweise auf dem Niveau der Sonntagsschule für Zehnjährige (Gott ist die LIEBE selbst; Gott lehrt uns mit der heiligen Schrift, auf welchem Weg wir gehen sollen; ohne Glaube kann man Gott nicht gefallen usw.).

Trotz meines schlechten Abschneidens bei den Fragen darf ich mit der zweiten Lektion weitermachen. Titel: Überraschende Tatsachen.

Die zweite Lektion beginnt mit der verbreiteten Feststellung, dass die Bibel soo oft verkauft wurde und in soo vielen Sprachen existiert. Natürlich, wissen wir. So wie das Buch Mormon sowie Dianetik von Scientology. Es gibt Gruppen, die ihre Schriften gerne verbreiten und von ihren Mitgliedern und in vielen Ländern auch von anderen Menschen die Mittel dafür beziehen.

Die Beschreibung der Entstehung der Bibel (altes und neues Testament) ist so oberflächlich und kurz gehalten, dass der Text keine offensichtlichen Fehler enthält. Nur die Zeitangabe, dass das neue Testament im Jahr 100 unserer Zeitrechnung bereits fertig war, stimmt nicht: Es wurden durchaus noch später Paulus- und Petrusbriefe gefälscht (Pseudoepigraphie auf Theologisch) und fanden ihren Weg in die ersten Sammlungen.

Die nächste Zwischenüberschrift lautet: Alle sind einverstanden. Hier kommen schon die ersten Glaubensinhalte über die Wahrheit der Bibel, die von der theologischen Bibelforschung längst widerlegt wurden:

  • Die Bibel schreibe selbst, sie sei von Gott inspiriert. Zitiert ist 2 Petrus, eine bekannte Fälschung aus dem 2. Jahrhundert.

  • Menschen, die die Bibel geschrieben haben, waren für Gott offen und dessen Geist hätte sie geleitet. Wir wissen, dass im alten Testament unterschiedliche Erzähltraditionen mehrfach zusammengeführt und die Evangelien voneinander abgeschrieben wurden. Gottes Geist hat unterschiedlichen Leuten unterschiedliche Varianten der selben Begebenheiten diktiert? Oder waren es doch nur Geschichten aus der damaligen Gesellschaft, verbunden mit theologischen Strategien und religiös beeinflussten Träumen und Halluzinationen? Wir wissen: Für zweiteres gibt es viel Evidenz, die erste Erklärung ist logisch nicht haltbar.

Aber: Wenn wir Gott als Autor (aha, plötzlich?) und Inspiration der Schrift anerkennen, wird klar: Die Aussagen der Bibel haben Autorität, und sie sind in jeder Zeit gültig. Tja. Das wäre noch zu zeigen, bisher ist das nicht gelungen.

Jetzt folgt eine längere Geschichte über die Archäologie, die in genau einem Beispiel biblische Namen in einer alten, im 20. Jahrhundert ausgegrabenen Siedlung nennt. Das ist ein gutes Beispiel für den Trugschluss, einen neueren Text, der ein älteres Phänomen beschreibt, als Evidenz für irgend etwas, ausser Menschen konnten sich an ältere Dinge erinnern herzunehmen. Eine andere, der Bibelschule zufolge überraschende Tatsache ist, dass ein alttestamentarisches Manuskript aus dem 1. Jahrhundert unserer Zeitrechnung tatsächlich den späteren Manuskripten entspricht. Was überhaupt nicht unerwartet ist, weil die jüdische religiöse Elite sehr genau darauf achtete, die Schriftrollen exakt kopieren zu lassen. Es sind die christlichen Manuskripte, die über Jahrhunderte von schlecht gebildeten, nicht sehr sorgfältigen Kopisten abgeschrieben und dabei mehrfach, auch in wichtigen Teilen verändert wurden. Erst in der Phase der Staatsreligion des römischen Reiches änderte sich das. Dies lernt man im Theologiestudium im ersten Jahr – wer als akademisch gebildeter Bibelschul-Lehrer diese Information unterschlägt, lügt; wer keine solche Ausbildung hat und deswegen mehr als 100 Jahre hinter dem Stand der Wissenschaft ist, sollte keine Kurse gestalten.

Mit der These, die Bibel böte praktische Hilfe fürs Leben, geht es weiter. Die Begründungen sind haarsträubend. Es gab zu jeder Zeit Menschen, die dank regelmäßigen Bibellesens falsche Entscheidungen vermieden und große Taten vollbrachten. Aja? Wie ist es mit denen, die Sklaverei mit der Bibel rechtfertigten? Der deutschen Sekte, deren Mitglieder extra nach Tschechien ziehen, um ihre Kinder schlagen zu dürfen, weil sie ein Vers dazu im neuen Testament fanden?

Wieder werden Teile aus der Bibel zitiert, um die Bibel zu rechtfertigen. Leute, so funktioniert das nicht. Das ist so, wie wenn ein Hollywood-Film im Intro basierend auf einer wahren Geschichte einblendet.

Die Tatsache, dass viele wirre, aus heutiger Sicht falsche und dumme Gedanken in der Bibel zu finden sind, findet auch Beachtung. Aber Hilfe ist in Sicht: Einfach mehrmals lesen und dabei ums richtige Verständnis beten. Ob Selbstgespräche es besser machen? Ich werde es im Laufe des Kurses vielleicht erfahren.

Die Lektion schließt mit der Feststellung ab, dass bisher im Kurs davon ausgegangen wurde, dass Gott existiere. Viele hätten versucht, die Existenz oder Nichtexistenz Gottes zu beweisen, mit menschlicher Logik. Diesen Teil hätte ich gerne etwas weiter ausgeführt gesehen, aber es geht jetzt zu den Fragen zur Lektion. Vielleicht im nächsten Teil.

1. Frage: Multiple choice, mit etwas vereinfachten Aussagen, die sich auf den vorhergehenden Text, der durchaus Fehler enthält, beziehen. Hier ist wieder der Konflikt: Wahrheitsgemäß, auf Basis meines Wissens beantworten, oder so, wie die beschriebenen Falschdarstellungen es suggerieren?

Ich entschließe mich, Die Bibel besteht aus 66 Büchern und entstand über 1500 Jahre und Die Bibel von Jesus und der Apostel war das alte Testament als wahr zu markieren. Die Zeitspanne ist nicht komplett falsch bzw. unsicher, über Jesus und Apostel wissen wir nichts Gesichertes, aber in der inneren Logik des neuen Testaments stimmt die Aussage.

Die ganze Bibel wurde von Gottes Geist inspiriert – sorry. Das glauben nicht mal alle ChristInnen. Hier tritt die evangelikale, bis zur Realitätsverweigerung bibeltreue Orientierung der Adventisten klar zu Tage.

Die Bibel ist eine praktische Hilfe fürs Leben kann ich auch nicht bestätigen. Diese beiden Antworten, die zur Lektion passen würden, lasse ich ehrlicherweise unangekreuzt.

Die nächste Frage ist wieder offen. Sie ist für einen historisch interessierten Menschen wie mich sehr schön: Wie hat die Archäologie unsere Ansicht von der Zuverlässigkeit der Bibel unterstützt? Ich beschreibe, dass einige unbedeutende historische Aussagen bestätigt wurden, dafür zentrale Erzählungen wie der Auszug millioner IsraelitInnen aus Ägypten und 40 Jahre Wanderschaft auf einer Strecke, die man in einigen Wochen gehen kann, widerlegt sind.

Warum nennen wir die Bibel Gottes Wort, obwohl Menschen sie geschrieben haben? Das kann ich wahrheitsgemäß beantworten: Jene, die sie so nennen, glauben auch die darin enthaltene Aussage, dass sie Gottes Wort sei.

Für die vierte Frage muss ich wie schon bei der ersten Lektion Bibelstellen lesen: Den zweiten Paulusbrief an Timothäus (laut Wissenschaft kein echter Paulusbrief) und das Evangelium des Johannes 20:31. Danach muss ich die Frage beantworten, wofür die Bibel geschrieben wurde. Das ist offensichtlich: Um die Lehren in Form einer neuen als heilig dargestellten Schrift zu verbreiten.

Fünfte Frage: Wie können wir die Bibel verstehen? Die möglichen Antworten sind: Allein mit unseren geistigen Fähigkeiten; durch Beten fürs richtige Verständnis; durch den heiligen Geist. Meine beste Information ist, dass das Verständnis aller Phänomene, wenn überhaupt, durch den menschlichen Geist entsteht. Ob ein so durcheinander geratenes Sammelsurium wie Bibel dadurch vollständig verstanden werden kann, ist eine andere Frage. Ich kreuze den heiligen Geist an: Es ist logisch nicht ausgeschlossen, dass man die Bibel verstehen könnte, wenn es so einen Geist gäbe. Vielleicht habe ich ja auch mal was richtig.

Die letzte Frage ist jeweils die, ob man weitere Fragen hat. Ich habe tatsächlich eine: Warum die Ergebnisse der letzten 100 Jahre Bibelforschung nicht beachtet werden. Bin gespannt, wie viel ich richtig beantwortet habe und ob ich mit dem Kurs weitermachen kann.


Es ist zwei Tage später, und die sehnsüchtig erwartete E-Mail mit der Bewertung der Antworten kommt nicht. Schade, das ging beim ersten Mal deutlich schneller. Vielleicht ist die beurteilende Person zur Ansicht gekommen, dass ich ein hoffnungsloser Fall bin. Es sieht also danach aus, dass dieser Account ;-) nicht mehr weiter über die Bibel lernen kann. Ich muss mich in etwas Geduld üben, bevor es weitergeht.

Alle Teile dieser Serie:

Teilen:
Reddit
WhatsApp
Telegram