In der Bibelschule (5)

Die Antworten auf die vierte Lektion waren zu 20 % richtig. Natürlich wurden meine kritischen Antworten und die Anmerkung, wie abscheulich die Texte sind, sobald man auch nur ein paar Sätze um die zitierten herum liest, nicht goutiert. Würden wir in den Lektionen nicht nur die Sätze, sondern auch ihr Textumfeld lesen müssen, wären die Inhalte zu lang und für niemanden interessant, lautet die Begründung.

In der fünften Lektion geht es um Ende ohne Anfang.

Als erstes wird, wie schon in der vorigen Lektion, eine Grundstimmung gesetzt: Puzzle sei ein beliebtes Spiel, bei dem einzelne verstreute Teile richtig zusammengesetzt ein stimmiges Bild ergeben. Die Bibel soll auch so sein: Um das zu verstehen, was Gott uns sagen will, reichen einzelne Teile nicht, wir müssen weiterlesen und finden die passenden Stücke vielleicht einige Kapitel weiter.

Das ist natürlich ein großartiges Framing, um die offensichtlichen Schwächen und Widersprüche der Bibel wegzuerklären, und das ganze so hinzubiegen, dass man alles mit ihr belegen kann, indem die Aussage geäußert und dann mit willkürlich ausgewählten Einzelstücken unterstützt wird. Eine wissenschaftliche Methode ist das nicht; eine Vorgehensweise der Manipulation schon eher.

So steht es in der Lektion: Gott hat einen Plan für uns. Dies ist die Basis, von vielen Ereignissen belegt. Also ignorieren wir die vielen Teile, in denen Gott keinen Plan hat, oder Leute willkürlich für die selbe Sache bestraft oder belohnt.

Die Belege kommen also wild aus altem und neuen Testament, von der Schöpfung über Jesus Christus wieder zurück zu Adam.

Der nächste Absatz ist ein Meisterstück der komplett willkürlichen Bibelinterpretation mit vorgefertigter Aussage. In den Bibeltext sind in Klammern Hinweise aus viel späteren Stellen oder komplett unbelegt eingefügt, und damit eine Interpretation vorgegeben.

Und Feindschaft setze ich zwischen dir (Schlange = Satan) und der Frau (Eva = die Mutter der Gläubigen), zwischen deinem Nachkommen (den Ungläubigen) und ihrem Nachkommen (Jesus Christus). Er trifft dich (Satan) am Kopf und du triffst ihn (Jesus Christus) an der Ferse. (Einheitsübersetzung 2016, 1. Mose 3:15)

Die kursiven in Klammer gesetzten Hinweise sind im Text in keiner Weise angedeutet. Im Gegenteil, für eine vorgefertigte Aussage werden spätere Elemente willkürlich eingefügt, um dem Text mit Gewalt eine Deutung zu entreißen.

Weiter geht’s: Hier finden wir den ersten Hinweis auf Jesus Christus, den Erlöser. Eine gute Nachricht, das erste geäußerte Evangelium. Bevor Satan und die Sünde endgültig vernichtet werden, wird der Bösewicht die Ferse des Erlösers beißen. Dies deutet darauf hin, dass Jesus leiden und am Kreuz sterben muss.

Haha, nein. Das steht da nicht. Die JüdInnen, von denen ihr das alte Testament ausgeborgt hat, werden diese Interpretation weit von sich weisen und euch fragen, was ihr raucht.

Probieren wir es mit Franz Kafkas Die Verwandlung.

Als Gregor Samsa (Jesus Christus) eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer (Satan) verwandelt. Er lag auf seinem panzerartig harten Rücken (das hölzerne Kreuz) und sah, wenn er den Kopf ein wenig hob, seinen gewölbten, braunen, von bogenförmigen Versteifungen geteilten Bauch (seine Wunden), …

Oder einem Rezept für Närrische Amerikaner:

Margarine, Zucker, Vanillezucker und Salz (Jesus Christus) mit den Quirlen des Handrührers schlagen (die Kreuzigung), bis sich der Zucker gelöst hat. Die Eier (Satan) nacheinander dazugeben und schaumig schlagen. Mehl, Stärke und Backpulver (die Auferstehung) mischen, sieben und unterrühren.

Funktioniert genauso. Wenn man schon ein fertiges Dogma hat, kann man es wunderbar in beliebige Texte hineininterpretieren.

Rettung und Neubeginn

Weiter geht’s in der Märchenstunde: Als Gott sah, dass seine Schöpfung sich in eine falsche Richtung entwickelt hatte, entschied er, Mensch und Tier in einer großen Flut zu vernichten, mit einer Ausnahme: Noah. Er habe immer zu Gott gehalten, also sei sein Leben – und das seiner Familie – verschont geblieben.

Gott hat mit acht Menschen alles neu begonnen (Noah, seine Frau, seine drei Söhne samt Ehefrauen). Er versprach Noah, das Leben nicht nochmal so zu vernichten, und unterstrich sein Versprechen mit einem Regenbogen. (Wie unterscheidet man eigentlich heutige Regenbogen vom damaligen? Sind das auch Versprechen oder einfach nur Wasserdampf, der das Licht bricht?)

Die nächste Bekräftigung des Bundes zwischen Gott und den Menschen war Abrahams verabscheuungswürdige Bereitschaft, seinen Sohn zu opfern. (Falls jemand der Meinung ist, das sei nicht schimm, Isaak sei eh nichts passiert, soll bis Richter 11,39 weiterlesen und feststellen, dass Gott das Opfern von Töchtern nicht auf die selbe Weise verhindert.)

Der Sündenbock

Die Lektion erklärt den Brauch, ein Tier opfern zu müssen, wenn man gesündigt hat. Wer gesündigt hat, hat seine Hand auf den Kopf des Tieres gelegt, damit symbolisch seine Sünde übertragen, und dann das Tier getötet. Das Tier starb somit für die sündige Person, sein Kadaver wurde in den Tempel gebracht, und die Sünde wurde verziehen. So primitiv, so dumm, so barbarisch, so offensichtlich für die Versorgung der Priester erfunden.

Was ist in dieser kranken Logik größer als ein Tieropfer? Na natürlich ein Menschenopfer! Und damit es wirklich zählt, am besten der eigene Sohn! So schließt sich der Kreis von Abraham zu Jesus.

Damit sei ein neuer Bund geschlossen worden. In diesem spielt der Glaube an Gott eine wichtige Rolle.

Teil des Glaubens sei auch die Tatsache (sic!), dass Jesus Christus zurückkehrt (das steht so in der Lektion, in keiner Weise belegt). Die Erlösten werden für immer mit Gott leben, die Ungläubigen gerichtet (in einen Feuersee geworfen). Aber danach wird es keine Sünde, Tod und Leid mehr geben.

Jetzt wird alles klar

Die Lektion endet mit: Jetzt haben wir die großen Puzzleteile kennengelernt. Das Bild, das wir sehen, zeigt, wie sehr Gott die Menschen liebt. Er hat seinerseits alles getan, was für unsere Rettung notwendig ist.

Na ja, alles? Warum gibt es so viele Religionen mit anderen Heilsversprechen auf der Erde, von denen man nur dann hört, wenn man im richtigen Gebiet geboren wurde? Warum macht es so viel Spaß, gegen die willkürlichen und wirren Regeln zu verstoßen, die in unterschiedlichen Teilen des Buches aufgestellt und dann vielleicht halbherzig widerrufen werden?

Und ist es wirklich Liebe, wenn man ein komplexes Regelwerk aufstellt, um den Partner zu einem bestimmten Verhalten zu zwingen, und die Nichteinhaltung der Regeln mit brutalen Mitteln sanktioniert? Mir fallen dafür ein paar andere Wörter als Liebe ein.

Prüfungsfragen

Heute bin ich wieder kooperativ und gebe brave Antworten.

1. Was bedeutet es für Sie, dass Gott die Welt erschaffen hat?

Dass bestimmte Strukturen etabliert wurden, damit die Welt immer besser werden kann, auch wenn die Menschheit nicht gerade fehlerfrei ist.

2. Markieren Sie die wahren Aussagen!

a) Wir finden bereits in Genesis 3:15 den ersten Hinweis auf Jesus Christus, den Erlöser (Blödsinn, aber in der Lektion war es so beschrieben).

b) Gott hat sein Volk aus Ägypten befreit, bevor er mit ihm am Berg Sinai einen Bund geschlossen hat (es gibt dafür keine historischen Belege und die Geschichte in der Bibel ist wie üblich albern, aber die Lektion sagt ja).

c) Jesus Christus hat mit seinem Tod und Auferstehung den Plan Gottes für die Menschheit abgeschlossen (sicher, seither geht es uns super!).

d) Erlösung ist nur möglich, weil Jesus für uns gestorben ist (nein, eigentlich nicht, das ist historisch nicht belegt, aber ja in diesem Kontext).

e) Zu Gottes Plan gehört, dass Christus zurückkommt, die Toten zum Leben erweckt und eine neue Erde erschafft. (Schwierig. Wurde der Plan nicht in c) schon abgeschlossen? In der Lektion kommt Plan nur einmal vor.)

3. Reihenfolge verschiedener Ereignisse laut Bibel

Hier soll ich Dinge wie die Schöpfung, die Flut, den Sündenfall usw. in die richtige Reihenfolge (laut Bibel) setzen. Rein philosophisch: Was ist die Reihenfolge von Ereignissen, die nicht passiert sind?

4. Die Bibel beschreibt deutlich, dass Gott einen Plan hat, uns zu retten. Was bedeutet das für Sie?

a) Gott ist geduldig mit uns

b) Dieser Gott muss der Gott der Liebe sein

c) Ich freue mich, dass Gott mich erlösen will

d) Ich beginne, Gott zu verstehen und zu lieben

Sicher! Das stimmt alles! Ich gehe all in.

Dann kommt noch die normale Feedback-Frage, diesmal habe ich kein Feedback.

In der Zwischenzeit habe ich etwas interessantes über die Siebenten-Tag-Adventisten bei The Friendly Atheist gelesen. Einer ihrer Pastoren in New York musste von seiner Position zurücktreten, weil er die Welt mit folgender Aussage (auf Video festgehalten) ein Stück schlechter gemacht hat: Und ich sage Ihnen, meine Herren, die beste Person zum Vergewaltigen ist die eigene Ehefrau. Das fand sogar die regionale Versammlung der Glaubensgemeinschaft so widerwärtig, dass sie ihn nicht mehr akzeptieren konnten. Dabei vertreten sie nach wie vor die schädliche, aber aus ihrer Sicht biblisch begründete Doktrin, aus der solche Aussagen kommen: Nämlich dass die Frau sich in der Ehe dem Mann komplett unterordnen muss. Nur falls sich jemand Illusionen macht, wie krank diese bibeltreue Endzeitsekte wirklich ist.

Ich bin gespannt, ob mich in den nächsten Lektionen auch solche Weisheiten erwarten, und wann es mit meinem Gewissen nicht mehr vereinbar sein wird, die Lehren hier wiederzugeben.

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