In der Bibelschule (22)

Die zweiundzwanzigste Lektion ist mit Alles zu seiner Zeit betitelt und legt den Fokus auf den Sabbat. Dies ist ein Steckenpferd der Siebenten-Tages-Adventisten, ihr Name leitet sich schließlich davon ab.

In einer Antwort auf die entsprechende Frage der letzten Lektion wies ich darauf hin, dass nach der Erzählung in 2 Mose 20 die zehn Gebote gar nicht in der Bundeslade angekommen sind, sondern jene späteren, unterschiedlichen Gebote aus Kapitel 34. Darauf kontert die Lehrerin mit 5 Mose 10:1-5, wo der Erzähler, sich als Moses ausgebend, zwar auf die ersten und die zweiten Tafeln hinweist, aber behauptet, die selben Worte wie auf die ersten geschrieben bekommen zu haben. Ein weiterer eindeutiger innerer Widerspruch in der Bibel.

Die Antwort, dass die zehn Gebote wegen ihrer vielen Grundrechtsverletzungen und Irrelevanz fürs heutige Leben nicht so wichtig seien, hat die Lehrerin als richtig gewertet – aber darunter geschrieben, dass sie nicht einverstanden ist, und die zehn Gebote ihrer Ansicht nach exakt das Gesetz der Liebe seien. Wie sie meint.

Die neue Lektion beginnt mit der Feststellung, dass manche Menschen so viel arbeiten, dass sie kein Wochenende kennen. Aber Gott will etwas anderes: Man soll sechs Tage lang arbeiten und am siebten Tag ruhen. Begründet wird das mit dem Sabbat-Gebot, das in den zehn Geboten enthalten ist: Sechs Tage darfst du schaffen und all deine Arbeit tun. (2 Mose 20:9, Einheitsübersetzung)

Interessanterweise enthalten andere deutsche Übersetzungen sollst du statt darfst du – und das ist auch die Formulierung in ungarischen und englischen Übersetzungen (you shall). Das ist nicht egal. Die meisten von uns arbeiten nämlich nur an fünf Wochentagen; wenn Gott dazu auffordert, an sechs Tagen zu arbeiten, heißt das etwas anderes als die Erlaubnis in der Einheitsübersetzung.

Arbeit gab es bereits im Garten Eden (1 Mose 2:15). Damals war das ein harmonischer, angenehmer Teil des Lebens. Aber als der Mensch sich gegen Gott richtete, änderten sich die Bedingungen, und die Arbeit wurde zur anstrengenden Tätigkeit.

Tja, dann habt ihr den falschen Job. Es ist durchaus möglich, einen angenehmen, kreativ herausfordernden und abwechslungsreichen Job zu haben. Häufiger dann, wenn man sich auf Bildung konzentriert, statt sich unter antiken Büchern zu verstecken und auf Erlösung zu warten.

Wir alle fühlen das Bedürfnis nach Abwechslung und Abschalten. Dabei ist diese Ansicht gar nicht neu. Bereits in der Bibel wird eine regelmäßige Pause beschrieben: Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem HERRN, deinem Gott, geweiht. An ihm darfst du keine Arbeit tun… (2 Mose 20:10, EÜ)

Dieses Zitat aus den zehn Geboten geht natürlich so weiter, dass die ganze Familie und auch SklavInnen eingeschlossen sind. Wie wäre es mal zur Abwechslung mit Geboten, die gleich einmal Sklaverei verbieten? Das hätte die Menschheit wesentlich weiter gebracht und viel mehr Leid vermieden als das Beharren auf einen Wochentag zum Pausieren.

Die Begründung (Denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel, Erde und Meer gemacht) ist natürlich nachgewiesenermaßen falsch, somit ist die Regel auch Bullshit.

Mit seiner Einladung, dass wir am Samstag ruhen, baute Gott eine Brücke zwischen ihm und uns. Dieser Tag macht klar: Gott hat seine Verbindung zu uns nicht unterbrochen. Er lässt die Welt nicht allein, überlässt sie nicht einem unsicheren Schicksal. Gott möchte mit uns sein.

Ein allmächtiges Wesen könnte seinen Wunsch, mit uns zu sein, tatsächlich umsetzen. Es würde nicht symbolische Tage mit wirren Begründungen festlegen, um uns das Gefühl zu geben, er wäre mit uns. Und er würde dafür sorgen, dass drei abrahamitische Religionen, die ihm angeblich nachfolgen, diesen Ruhetag am selben Tag begehen und nicht auf Freitag, Samstag und Sonntag verteilt. Die Bibelschule sägt hier wieder am eigenen argumentativen Ast.

Zwei Ruhetage am Wochenende zu haben ist eine moderne, säkulare Entwicklung. Wir würden sie auch nicht wieder hergeben, nur weil ein bronzezeitlicher Gedanke in einem später als besonders markierten Text uns auffordert, an sechs Tagen zu arbeiten.

Geht es einen Absatz vorher noch um eine Einladung Gottes, widerspricht sich die Bibelschule gleich wieder, indem sie auf die mythische Geschichte des Auszugs aus Ägypten verweist, und beschreibt, wie Jahweh die Israeliten am siebten Tag (dem Sabbat) nicht ernährt, um ihnen seine Vorstellung aufzuzwingen (2 Mose 16:25-28).

Die Menschen missverstanden lange Zeit die Bedeutung des Ruhetages. Sie stellten eine Liste von Dingen, die man darf und nicht darf, zusammen. Und wer sich am Sabbat mit Seife wusch, ein Taschentuch mittrug, seine Schuhe band, zwei Buchstaben nebeneinander schrieb oder zu viele Schritte ging, hat gearbeitet und verstieß damit gegen die Interpretation der Eiferer.

Haha, so dumme Regeln bei der falschen Religion! Kommt zu uns, wir haben die richtige! WIR haben herausgefunden, wie die Autoren des Buches es WIRKLICH gemeint haben. Alle anderen interpretieren es falsch!

Dieses Pharisäer-Verhalten beendete Jesus. Er sagte: Der Sabbat wurde für den Menschen gemacht, nicht der Mensch für den Sabbat. Deshalb ist der Menschensohn Herr auch über den Sabbat. (Mark 2:27-28, EÜ)

Dies wirkte anstößig und hat zu neuen Missverständnissen geführt.

Das kann man laut sagen. Jesus-Märchenerzähler, reisst euch zusammen, hört mit den Widersprüchen auf.

Für Jesus bedeutete der Sabbat das Treffen mit Gott und die Hinwendung zu seinen Mitmenschen. Damit wurde der überreglementierte und freudlose Samstag wieder mit Leben gefüllt. In diesem Sinne sagte er seinen Zeitgenossen:

Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben! Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen. (Mat > 5:17, EÜ)

Wartet mal, wie geht das Zitat weiter? Amen, ich sage euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird kein Jota und kein Häkchen des Gesetzes vergehen, bevor nicht alles geschehen ist. (EÜ)

Aja. Das gesamte mosaische Gesetz aus dem alten Testament gilt also weiter. Speiseverbote, Kleidungsvorschriften, das Steinigen der vergewaltigten Frauen, wenn sie nicht laut genug geschrien haben. All das, was Christen nicht aus dem Judentum übernehmen wollten. Wie jetzt? Wie soll man das in Bezug auf den Samstag interpretieren? Die verschiedenen christlichen Traditionen tun es jedenfalls unterschiedlich – und anders als die jüdischen Autoren des Dokuments.

Jesus' eindeutiger Bezug auf den Samstag bedeutet, dass der Samstag auch heute gültig ist für die Christen. Aber mit verschiedenen Begründungen wurde das Feiern des Sonntags eingeführt.

Ja, das war der Tag des Sonnengottes Sol Invictus, und das Römische Reich führte diesen Tag als Ruhetag ein. Die Christen fanden das in Ordnung, weil sie am Sonn-Tag die Auferstehung Christi feiern konnten. Und das war für sie 1500 Jahre lang auch gut, bis die Siebenten-Tages-Adventisten kamen und mit ihrer Gewichtung der widersprüchlichen Bibelstellen zu einem anderen Ergebnis gelangten.

Das Geschenk des Sabbats ist außerordentlich praktisch und vielseitig. Kein Zwang, der uns vorgeschrieben ist, sondern Freiheit, und zwar für alle Menschen.

Nein. Freiheit ist die Möglichkeit, sich frei zu entscheiden. Will ich einmal am Dienstag freihaben und dafür am Samstag arbeiten, weil es in meine Woche besser hineinpasst, dann habe ich Freiheit. Wenn alle Samstage fix mit Verboten und Geboten belegt sind, nicht.

Der Samstag erinnert an die ursprüngliche Vollkommenheit von Gottes Schöpfung. Deswegen müssen wir unsere Welt mit all unseren Kräften bewahren und kreativ entwickeln. Die richtige Deutung des Samstags gibt uns ein ökologisches Bewusstsein. Sie erzieht uns dazu, der Natur ihre Ruhe zu geben und uns nicht ständig in sie einzumischen.

Kreative Interpretation des alttestamentarischen Samstagsgebots, aber wieder einmal mit mehreren falschen Prämissen begründet, also irrelevant.

Umweltschutz ist ein Konzept, das zur Zeit der Entstehung der Bibel noch weitgehend unbekannt war (auch wenn der ähnlich alte Buddhismus durchaus solche Ideen enthält). Aber das hat Christen noch nie gestört, wenn sie sich eine gute Idee aneignen wollten, um sie später als original christlich darstellen zu können. Wir wissen natürlich, dass Umweltschutz aus ganz praktischen, säkularen Gründen wichtig ist.

Der Samstag ist eine Möglichkeit, mit mir selbst, meinen Mitmenschen und Gott zusammenzutreffen, und über den Sinn des Lebens nachzudenken. Auch der wöchentliche Gottesdienst dient diesem Zweck. Dass wir nicht auf der Ebene des Nachdenkens bleiben dürfen, hat auch Jesus schon klar gemacht. Die Verbindung mit Gott zeigt sich in unserer Hinwendung zur Welt und zu unseren Mitmenschen. Und das ist eine Herausforderung, für die wir Kraft brauchen. Diese Kraft gewinnen wir aus dem Samstag. Woche für Woche.

Dass regelmäßige Ruhetage dem Menschen gut tun, ist keine christliche Idee. Andere antike Völker hatten ähnliche Konzepte; die Sieben-Tage-Woche wurde in Mesopotamien entwickelt, die Römer hatten ursprünglich einen Acht-Tage-Zyklus, die Griechen einen über zehn Tage.

Es ist eine Errungenschaft der modernen, säkularen Gesellschaften, dass die meisten Menschen sogar zwei von sieben Tagen frei haben; gleichzeitig wollen wir z. B. Freizeitangebote auch am Sonntag in Anspruch nehmen, also muss da auch jemand arbeiten. Gleichzeitig werden weitere Verringerungen der Wochenarbeitszeit diskutiert. Mit starren Regeln kommen wir also in einer modernen Gesellschaft nicht weiter. Also ja, Kraft tanken am Wochenende oder unter der Woche, je nachdem, wie man seine Zeit gestalten möchte. Und wer am Samstag zum Gottesdienst will, kann das gerne tun. Arbeit-ist-Tabu-Wochentage sind in unserer Gesellschaft jedoch ein Hindernis, wer sich sklavisch an sie hält, reduziert die eigene Freiheit. Die Siebenten-Tages-Adventisten können sich heute glücklich schätzen, in einer Gesellschaft zu leben, in der sie – ohne religiöse Begründung – den Samstag relativ frei gestalten können.

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