In der Bibelschule (8)

Die Antworten auf die siebente Lektion wurden als 75 % richtig bewertet. Sogar Ich verwerfe und kritisiere falsche Behauptungen und Lehren als Beantwortung der Frage, wie sich mein Glaube im Alltag auswirkt, wurde als richtig gezählt.

In der achten Lektion geht es ums Gebet, ein traditionelles Minenfeld für theistische und insbesondere christliche Logik. Da hilft der Bezug auf die Bibel auch nicht, weil darin – wie so oft zu unterschiedlichen Themen – Zitate zu jeder Aussage und ihrem Gegenteil zu finden sind. Schauen wir uns an, wie die Bibelschule an diesem Themenkreis scheitert.

Offenheit, Güte, Liebe, Verständnis, Stärke, Zuverlässigkeit – viele Menschen verbinden das mit dem Gedanken an einen guten Vater. Da die Familienstrukturen sich in den letzten Jahrzehnten ganz stark änderten, hatten leider nur die wenigsten Kinder das Glück, so einen Vater zu haben.

Früher war alles besser? Natürlich nicht: Mit dem Aufbrechen traditioneller (christlich beeinflusster) Geschlechterrollen und der Durchsetzung humanistischer Werte (gewaltlose Erziehung, Gleichberechtigung) haben in modernen Familien die Kinder häufiger als früher die Gelegenheit, einen Vater mit diesen Attributen zu erleben.

Aber wir müssen auf unsere Idealvorstellungen gar nicht verzichten. Die Bibel erwähnt häufig Gott als Vater, der all diese guten Eigenschaften hat. Er hat immer Zeit für uns. Wir können uns mit unseren Problemen an ihn wenden.

Eigentlich passt der Gott der Bibel besser zu den früheren Erziehungsvorstellungen: Mit Strafen, auch körperlicher Natur, Härte und Strenge zu erziehen, oder die Erziehung überhaupt auf die Frauen abzuschieben. Das klingt halt in der Bibelschule nicht so gut.

Wie funktioniert das mit dem mit unseren Problemen an ihn wenden im Fall eines wirklich vorhandenen, liebenden und offenen Vaters? Zum Beispiel hört er sich unsere Probleme an und gibt gute Ratschläge, springt auch mal mit einem Geldbetrag oder als Handwerker ein, kommt auch von sich aus auf uns zu, wenn er merkt, dass wir in einer schwierigen Situation sind oder eine neue Entwicklungsstufe erreicht haben. Nach dieser aktiven Unterstützung in der Kindheit lässt er uns ziehen, wenn die Zeit da ist, bleibt aber im Hintergrund für uns da, wann immer wir seine Hilfe oder seinen Rat brauchen. Durch seine Jahrzehnte an Erfahrung kann er uns häufig guten Rat in Situationen geben, die wir noch nicht kennen. Er lässt zu, unterstützt und ist stolz, wenn wir etwas Neues lernen. Er akzeptiert uns, wie wir sind, auch wenn wir als Frau eine andere Frau lieben sollten.

Der himmlische Vater? Nun, der biblische Gott lässt seine Kinder eben nicht sein, wie sie sein wollen, sondern hat konkrete, nicht verhandelbare Vorgaben für sie; im Garten Eden hat er schon die ersten beiden unbeaufsichtigt gelassen und damit in eine schlechte Situation gebracht, die er selbst erzeugt hat. Konkret bestraft er die Kinder, weil sie sich Wissen angeeignet haben. In der christlichen Erzählung leiden alle Nachkommen unter diesem Fehler, den der gute Vater seinen Kindern in die Schuhe schiebt. Wie löst er das Problem? Er schickt noch einen Sohn und lässt ihn foltern und töten. Das steht alles in eurem Buch, ihr Biblioten.

Konkrete, materielle Hilfe im Leben? Fehlanzeige. Ratschläge, ob auf Nachfrage oder vorausschauend? Ist noch nie vorgekommen. Uns in die Freiheit loslassen? Wirklich gute Ratschläge in Situationen, die wir noch nicht kennen? Oje. Vielleicht ist ein echter Vater doch viel-viel besser.

Dies ist keine einseitige Beziehung, sondern ein echtes Gespräch. Die Bibel nennt das Gebet.

Erst in der vorigen Lektion wurden gegenseitige Liebesbeziehungen eingeführt, erklärt, und in einem geistigen Salto mortale erst mit der Beziehung zu Gott gleichgesetzt, dann aber doch als ungeeigneter Vergleich verworfen. Hier passiert etwas ähnliches.

Ein echtes Gespräch findet zwischen zwei Individuen statt, die bezogen auf ihre gesellschaftliche Position oder zumindest für die konkrete Gesprächssituation eine mehr oder weniger gleichberechtigte Ebene finden können statt einer einseitigen Herrschaftssituation. Sie sprechen abwechselnd, lassen die andere Seite ausreden, gehen auf die Argumente ein, teilen ihre Erfahrungen, Empfindungen und nehmen das von der anderen Seite Gesagte auf. Am Ende wissen beide Seiten mehr über die Positionen der anderen; ohne eine gewisse Symmetrie wird das Gespräch ziemlich einseitig, wenn die eine Seite schon alles weiß, was die andere sagen wird.

Wie definieren andere Konfessionen Gebet? Die katholische Kirche beschreibt es als Hinwendung zu Gott, Gespräch des Herzens mit Gott (das Gespräch also unter Anführungszeichen), die evangelische als Zwiesprache halten mit Gott. Also ziemlich ähnlich, ebenfalls als eine Art Gespräch. Die Bibelschule zeigt detailliert, warum das falsch ist.

Wie? Es gibt viele Möglichkeiten. (…) Wenn wir beten, können wir uns hinknien, unsere Augen schließen, unsere Hände falten, und unsere Worte in Gedanken formulieren oder laut aussprechen.

Ganz klar, macht man in jedem Gespräch so.

Wichtig ist, dass die Form nicht über dem Inhalt steht. (…) Gebet ist ernsthaft, aber keine traurige Angelegenheit. Je stärker wir uns Gott zuwenden, desto klarer, verständlicher wird dessen Antwort sein (Luk 18:1-14).

Das steht in der zitierten Bibelstelle nicht einmal. Es wird zwar mehrfach das Gebet thematisiert, aber von der Stärke der Zuwendung ist nichts zu finden.

Die Formulierung je … desto impliziert einen messbaren, positiven Zusammenhang zwischen Handlung (Gebet) und Ergebnis (Verständlichkeit von Gottes Antwort). Das würde implizieren, dass Menschen mit viel Gebetserfahrung und einer starken Motivation wirklich gute verständliche Antworten von ihrem Sky Daddy bekommen. Dies ist empirisch nicht feststellbar (etwa wenn der Papst fürs Ende der Corona-Pandemie betet, geht er nachher nicht mit den klaren, verständlichen Antworten an die Öffentlichkeit).

In einem Gespräch zählen für den Erfolg auch ganz andere Aspekte als die Zuwendung zum Gesprächspartner.

Wann? (…) Wer den Tag mit einem Gebet beginnt, findet die Zeit, alle wichtigen Dinge zu erledigen.

Klar, und wer brav den Zehnten an seine Glaubensgemeinschaft zahlt, wird nachher mehr Geld haben.

Paulus ermuntert: Betet ohne Unterlass (1 Thess 5:17]).

Das ist noch besser… für religiöse Fanatiker, die ein Selbstgespräch, das an den imaginären Freund gerichtet ist, echtem menschlichen Kontakt vorziehen.

Warum sollen wir beten? Gott weiß ja alles! Das ist wahr, aber wir beten nicht, um Gott zu informieren, oder zu überreden, unsere Wünsche zu erfüllen. Gebet ist viel mehr.

Viel mehr als zwei wesentliche, häufige Ziele von Gesprächen? Viel mehr sagen TheologInnen häufig, wenn schon ihre Grundannahmen widerlegt sind, zur Ablenkung.

Anbetung. Hier merken wir die Grösse und Allmacht Gottes. Die Anbetung ist auch die Erklärung unserer Liebe zu Gott.

Klassische Gesprächsinhalte, machen wir immer wieder, wenn wir mit FreundInnen reden. Oder? Nein, eher ein Kennzeichen von sehr hierarchischen Situationen, ein formeller Austausch unter Ungleichen. Das ist keine gute Voraussetzung für ein echtes Gespräch.

Danksagung. Da Gott uns liebt, haben wir jederzeit gute Gründe für Dankbarkeit. Dazu gehört auch, dass wir regelmässig durchdenken, was wir häufig für selbstverständlich halten.

Dankbarkeit ist ein gutes Konzept, diesen Ratschlag bekommen wir auch von säkularen BeraterInnen. Echte Dankbarkeit beinhaltet natürlich, über die Ursache unserer Dankbarkeit nicht zu lügen: Wenn unsere Freunde uns unterstützt haben, waren es diese konkreten Menschen; wenn die Impfungen gegen Krankheiten gut wirken, waren es die ForscherInnen, die in langjähriger, mühsamer Arbeit diese hervorbrachten, nicht das Gotteskonzept der einen oder anderen Religion. Und sich selbst kann man nach getaner Arbeit auch dankbar sein.

Gott für gute Dinge pauschal als Ursache zu erklären und bei schlechten Dingen jede Verantwortung abzustreiten ist eine leicht zu durchschauende, trotzdem sehr häufige und besonders perfide Strategie von Berufsreligiösen. Natürlich findet das nicht nur ohne, sondern gegen die Evidenz statt.

Bitte. Wir können Gott bitten, dabei zu helfen, unsere Schwierigkeiten zu beseitigen. (…) Wir können auch für andere Menschen beten: Für unsere Angehörigen, FreundInnen, für Kranke, Verantwortungstragende, sogar für unsere Feinde. Das Bitt-Gebet ist das Wertvollste, was wir für Andere tun können.

Natürlich. Thoughts and prayers ist die halbautomatische Twitter-Botschaft der vielen Gläubigen in den USA, wenn etwas Schlimmes passiert. Das ist auf der Skala von für Andere tun können die niedrigste Stufe: Eine kurze gedankliche Beschäftigung mit dem Thema, häufig noch durch die religiöse Brille verzerrt. Beten für die Opfer religiösen Terrors – sie merken nicht einmal, dass sie das Problem nicht nur nicht lösen, sondern noch schlimmer machen. Spenden, freiwillige Arbeit leisten, PolitikerInnen wählen, die für eine nachhaltige Lösung des Problems eintreten – das wären tatsächlich wertvolle Dinge, aber sie sind halt mit Aufwand verbunden. Im Gegensatz zum scheinheiligen Gebet.

Das Wertvollste, was wir für Andere tun können? Es wurden mehrere klinische Studien zur Wirkung von Gebeten für kranke Personen durchgeführt. Ein wichtiges Ergebnis war, dass Gebete signifikant geschadet haben, wenn die PatientInnen wussten, dass für sie gebetet wird. Allerdings wurde diese Studie methodisch kritisiert. Wussten sie es nicht, wie es sich für eine doppelverblendete Studie gehört, gab es keinerlei Effekte. Die Templeton Foundation, die regelmäßig Studien finanziert, die Effekte von GöttInnen nachweisen sollen, muss schon recht verzweifelt sein, weil nie etwas Verwertbares rauskommt.

Vorhin wurde versprochen, Gebet sei viel mehr als nur ein Gespräch. Wir stellen fest: Gespräch ist es keines, die Anbetung ist kein Kennzeichen von guten Gesprächssituationen, Dankbarkeit geht besser ohne Gott, und das Bitten um positive Dinge ist eine Ausrede, hat aber keine konkreten Konsequenzen. Mit das Wertvollste lügt uns Bibelschule wieder einmal an.

Gott hört uns zu. Manchmal haben wir das Gefühl, dass Gott unsere Fragen und Bitten nicht beantwortet. Also ob er schweigen würde.

Als ob er nicht existieren würde. Nur manchmal? Immer, wenn ihr ehrlich seid. Kein Mensch berichtet von klaren Antworten auf Fragen im Gebet; niemand behauptet, dass alle Bitten erfüllt werden. Gott schweigt nicht: Gott existiert nicht, und das ist ein sehr guter Indikator dafür. Es ist kein Zufall, dass Menschen nach monate- oder jahrelangen vergeblichen Bemühungen feststellen, dass sie in Bezug aufs Gebet angelogen wurden und das restliche Lügengebäude auch in sich zusammenfällt.

David gibt eine mögliche Erklärung: Wenn ich Unrechtes vorgehabt hätte in meinem Herzen, so würde der Herr nicht hören. (Psalm 66:18)

Klassisches victim blaming: Wenn du nichts von Gott hörst, hast du Unrechtes vor.

Wichtig ist aber, was Gott will: Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst! (Matt 26:39)

Wow. Die Bibelschule versucht, das Gebet attraktiv zu machen, indem es erzählt, dass ein Todgeweihter um Beistand bittet, und dieser Bitte nicht entsprochen wird. Das ist kein argumentatives Eigentor, sondern viel mehr!

Nach diesen Ausführungen wird noch das Vaterunser (Matt 6:9-13) zitiert und Gedanke für Gedanke auseinandergenommen.

Unser Vater: Wir sind nicht allein. Wir haben einen Vater, an den wir uns wenden können.

Nope, siehe oben. Fast jeder echte Vater ist besser als der erfundene Strafgott.

Dein Name werde geheiligt: Damit bitten wir Gott um Hilfe, seinen Namen nicht zu leichtfertig zu nutzen; durch unsere Wörter und Leben soll sichtbar sein, dass wir Gottes Kinder sind.

Nö, das steht da nicht. Wenn ihr eure Folklore unterbringen wollt, sucht dafür bessere Zitate. Das religiöse Konzept, den Namen des heiligstmöglichen Wesens zu heiligen, ist einerseits ziemlich nichtssagend, andererseits entfernt es den Gesprächspartner noch zusätzlich von der betenden Person.

Unser tägliches Brot gib uns heute. Die Betonung ist hier auf uns. Damit reden wir nicht nur von unseren persönlichen Bedürfnissen, sondern auch davon, mit Menschen in Not zu teilen, was Gott uns gab.

Das ist wieder eine wild konstruierte, durch den Text nicht zu rechtfertigende Bedeutungsabwandlung. Nichts in dieser Lektion erklärt, dass ein Gebet plötzlich auch das Teilen mit Menschen in Not beinhalte, im Gegenteil: Alle werden dazu aufgerufen, selbst ständig zu beten. Die angebliche Betonung auf uns ist willkürlich und implausibel; für die meisten Christen ist wohl tägliches Brot ein wichtigerer Wunsch.

Und so weiter. Sie führen wieder allgemein als christlich bezeichnete Konzepte auf, die nur am Rande mit den zitierten Teilen zu tun haben. Das ist keine Erklärung, sondern Verklärung.

Amen!

Eine Frage lautet so: Was bedeutet für Sie Mat 7:7? (Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Damit wollen bibeltreue Christen belegen, dass Gebete immer erhört werden und den Bitten entsprochen wird, und entsprechend dazu ermutigen.)

Ich antworte: Diese Bibelstelle steht den anderen scheinbar entgegen, indem sie einen automatischen, immer eintreffenden Erfolg verspricht. Im Alltag wissen wir aber, dass das so nicht funktioniert.

Meine Erwartungen an dieses Kapitel wurden nicht enttäuscht. Zuerst wurde von der Lektion die Vorstellung vom besseren Vater vorgebracht, dann die Idee, Gebet sei wie ein Gespräch. Beides hat sich bei näherer Betrachtung als Unsinn entlarvt. Natürlich ist die Argumentation für viel mehr als ein Gespräch dann auch ordentlich misslungen. Es kam eine Erklärung für ein häufig/immer beobachtetes Phänomen, das das unerhörte Gebet zu einem der häufigsten Gründe für die Erkenntnis, dass es gar keinen Gott gibt, macht. Abgerundet wurde das Kapitel wieder mit allgemeinen Lehren, die mit Gewalt an einen bekannten Gebetstext gehängt wurden.

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