In der Bibelschule (15)

Die fünfzehnte Lektion hat den Titel Große Erwartungen und den Untertitel Alles deutet auf die Endzeit hin. Jetzt geht es also um die bisher nicht so deutlich angesprochene, namensgebende Erwartung der Siebenten-Tags-Adventisten, dass die in den Evangelien und der Offenbarung des Johannes angesprochene Endzeit nahe bevorstehen soll.

Dies haben sie bereits in der letzten Lektion als Prüfkriterium für die Wahl der richtigen Religionsgemeinschaft erwähnt, aber noch nicht weiter belegt. Das kommt jetzt – außer, dass sie sich wie üblich mit dem Belegen schwer tun.

Endzeitstimmung. Es sieht so aus, als würde sie alles überschatten. Kein Tag, an dem wir nicht von neuen Katastrophen hören. Terror, Angst, Verzweiflung bestimmen in diesen Tagen die Medien.

Wohlgemerkt, dies steht schon länger in der Lektion, und hat mit dem aktuellen Krieg in der Ukraine nichts zu tun. Das sagt einiges über die Weltsicht und den Medienkonsum der AutorInnen aus.

Holmar von Ditfurth, der berühmte Wissenschaftler fasst unseren Zustand so zusammen:

Da ich das Zitat nicht anderswo finden konnte und keine Quellenangabe dabei ist, verzichte ich auf die Wiedergabe. Es geht darum, dass der 1989 verstorbene Professor für Psychiatrie und Neurologie das Aussterben der Menschheit als sicher betrachtet und nur mehr die Frage nach dem Zeitpunkt stellt. Tatsächlich gibt es von ihm Werke aus den 1980ern, in denen er sich mit menschengemachten Gründen des Aussterbens der Menschheit beschäftigt.

Keine rosigen Aussichten! Es hilft uns auch nicht, dass die Bibel all diese schrecklichen Ereignisse vorhergesagt hat.

Hahaha, nein, hat sie nicht. Nichts mit Atomwaffen, nichts mit Klimakatastrophe. Nur mit übersteigerten Dingen, die in der Antike bereits bekannt waren und heute so nicht passieren würden.

Neben all den albernen, nicht zustandegekommenen, leicht widerlegten Prophezeiungen im alten Testament ist das größte und offensichtlichste Problem in mehreren Büchern des neuen Testaments genau die wichtigste Vorhersage angeblich direkt von Jesus: Nämlich dass er noch im Leben der Anwesenden (bzw. in Paulusbriefen im Leben der Adressaten) wiederkommen und sein Reich errichten wird.

Wenn es einen Jesus gab, der das sagte, und die Datierung der Ereignisse auf ca. 30 unserer Zeitrechnung stimmt, dann ist das jetzt etwa 1990 Jahre her, und seit etwa 1950 Jahren überfällig. Wie lange will man warten, um eine Fehleinschätzung tatsächlich als eine solche anzuerkennen?

Aus der Großen Enttäuschung von 1844, nachdem die von William Miller für 1843 und dann 1844 vorhergesagte Endzeit nicht kam, gingen unter anderem die Siebenten-Tags-Adventisten, aber auch die Zeugen Jehovas hervor. Das war natürlich jeweils nur eine kleine Minderheit, die große Mehrheit reagierte vernünftig und nahm von solchen Endzeitlehren für immer Abstand.

Zum Glück gibt es einen Unterschied zwischen den Feststellungen der Bibel und der Vielfalt der Aussagen der Wissenschaftler.

Und für die AutorInnen der Bibelschule ist wohl klar, welche Seite richtig liegt.

Im Gegensatz zu den Aussagen über den Zustand der Welt bleibt die Bibel nämlich nicht beim pessimistischen Standpunkt stehen. Sie fordert uns auf:

Wenn dies beginnt, dann richtet euch auf und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe. (Lk 21:28, Einheitsübersetzung)

Was genau beginnt hier? Es wird gewaltige Erdbeben und an vielen Orten Seuchen und Hungersnöte geben. (Lk 21:11) Sogar eure Eltern und Geschwister, eure Verwandten und Freunde werden euch ausliefern und manche von euch wird man töten. (Lk 21:16). Mit scharfem Schwert wird man sie erschlagen, als Gefangene wird man sie zu allen Völkern schleppen und Jerusalem wird von den Völkern zertreten werden (Lk 21:24) Es werden Zeichen sichtbar werden an Sonne, Mond und Sternen (Lk 21:25)

OK, nach eingehender Prüfung hat weder Herr von Ditfurth diese Situation beschrieben noch sehen wir irgendwelche von diesen Anzeichen. Wir können aber klar erkennen, dass die Vorhersage sich auf eine Situation in der Antike bezieht: Heute würde der Weltuntergang mit Atomwaffen beginnen, oder mit exponentiell steigenden Jahres-Temperaturmittelwerten. Niemand erschlägt andere massenhaft mit scharfen Gegenständen und verschleppt Gefangene zu allen Völkern. Den Kontext zu lesen hilft, wie so oft, liebe Bibelschule.

Als Jesus auf der Erde lebte, erzählte er seinen Freunden, dass er sterben müsse, denn das sei der Preis der Erlösung der Menschheit. Das war für sie sehr schwer zu verstehen und zu akzeptieren.

Klar. Sinnlose Menschenopfer zur Besänftigung von Rachegöttern mit ungesundem Interesse an Vorhäuten waren auch im ersten Jahrhundert schon eine lang zurückliegende Erinnerung an noch barbarischere Zeiten.

Gleichzeitig hat Jesus aber auch versprochen, dass er zurückkehrt und eine neue Erde erschafft.

Hmm, zurückgekehrt wäre er ja in der Mythologie. Neue Erde? Davon hat niemand etwas gemerkt.

So waren seine Freunde in freudiger Erwartung eines viel schöneren Ereignisses sehr neugierig, wann das genau passiert, worüber Jesus spricht.

Jesus beantwortete ihre Frage. Er sprach von Kriegen, Hunger, schrecklichen Erdbeben und religiöser Verwirrung, die die Menschen in die falsche Richtung leiten (Mt 24:6-11).

Er beantwortete ihre Frage also nicht.

Jetzt kommen noch mehr Bibelstellen, die schreckliche Dinge ankündigen. Das passt zur Lehre der Naherwartung einer Endzeit im 1. Jahrhundert. Nur nicht zu unserer Wirklichkeit – auch wenn die Bibelschule das mehrmals behauptet.

Machen wir uns nichts vor! Die Lage ist sehr ernst. Und wir müssen sie auch ernst nehmen. Aber für Panik gibt es keinen Grund. Jesus hat die Zeichen der Zeit vorhergesagt, damit wir ihm vertrauen.

Das mit dem Vertrauen hat nicht so gut funktioniert. Jene, die ihn in den Geschichten gehört haben, mögen ihm vertraut haben, dass die Ereignisse schon in ihrem Leben stattfinden: Das ist jedoch fast zweitausend Jahre her. Die selbsternannten Nachfolger haben seither regelmäßig, in letzter Zeit fast im Jahrestakt, diese Ereignisse vorhergesagt und sich damit der Lächerlichkeit preisgegeben. Die nächsten Termine folgen übrigens laut dieser Liste 2026 und 2028.

Also wer macht sich etwas vor?

Die Zeichen künden von dem, was passieren wird. Und da die Ereignisse genau so geschehen, wie Jesus es sagte, können wir uns sicher sein, dass alle anderen Versprechen genauso eingehalten werden. Er kommt zurück. Kein Zweifel. Alle Zeichen deuten darauf hin.

Nein, sorry. Die beschriebenen Zeichen sehen wir nicht – objektiv und offen nachvollziehbar. Damit ist der Rest der Argumentation ohne Basis.

Zweifel bestehen schon an einem historischen Jesus, und darüber, ob seine Lehre korrekt überliefert wurde. Aber das sind noch gewöhnliche Behauptungen und sie könnten leicht wahr sein. Die anderen Phantasien über eine Wiederkehr eines Toten, eine neue Erde und anderer Schmarren brauchen bessere Evidenz als Behauptungen in einem Buch, das schon so oft falsch lag. Manche Menschen merken, welcher Quelle sie vertrauen können; die anderen nennen sich bibeltreue Christen.

Wir dürfen die Ereignisse nicht voneinander trennen und denken, dass wir den Zeitpunkt der Wiederkehr Jesu genau bestimmen können. Jesus wollte uns nicht zu Statistikern machen.

Oh, genau der bin ich aber geworden. Aber immerhin ein bisschen ein Lerneffekt hier: Sie streiten ab, dass man den Zeitpunkt bestimmen könnte. Hätten doch nur ihre Gründer diese Bibelschule absolviert!

Das Leben ist voller Spannung, vor allem, wenn man es aus der Perspektive der Bibel betrachtet.

Wovon ich abraten würde.

Diese Spannung nimmt uns Gott nicht ab. Da er nicht will, dass wir faul und schwach werden und (im übertragenen Sinne) einschlafen, hat er Zeichen gegeben, die uns wach halten, indem sie uns ständig an das bevorstehende Ereignis erinnern.

Oder, wie es aussieht, gibt es nicht mehr Erdbeben und Hungersnöte als sonst, Seuchen haben wir unter Kontrolle, und die Wirrköpfe, die seit fast 2000 Jahren auf ein wie immer geartetes Weltende-Ereignis warten, betrügen sich nur selbst und andere.

Gott schafft es, regelmäßig Zeichen, die in jeder Weise gedeutet werden können (wie ein Erdbeben), zu geben, aber nicht, dass alle Menschen an ihn glauben? Sei kreativ, Jahwe! Zeichne ein Kreuz auf den Mond, projiziere einen Live-Countdown daneben! Lass die Sonne Morsezeichen blinken! Aktuell kommst du gegen die anderen 10.000 erfundenen GöttInnen nicht an – und vor allem nicht gegen da ist ja gar kein Gott.

Als Christen müssen wir eine große Aufgabe erledigen. Wir müssen unsere freudige Erwartung allen Menschen mitteilen, damit sie eine neue Hoffnung bekommen.

Leute. Ihr habt vergessen, eure freudige Erwartung zu definieren. Ihr versprecht nur Katastrophen, Zwietracht in Familien und gewalttätige Christenverfolgung. Was daran ist freudig, und wer ist bitte so blöd, diese schon so lange immer wieder angekündigte schlechte Zukunft zu erwarten und auch noch anderen zu erzählen?

Gott gibt jedem die Möglichkeit. Deswegen wird sein Sohn erst wiederkehren, wenn die gute Nachricht überall gehört wurde.

Ah, deswegen wollt ihr also so aggressiv missionieren. Denkt ihr, Gott führt eine Liste zum Abhaken, auf der die wenigen noch unkontaktierten Völker erfasst sind? Ist euer Gott wirklich auf euren kulturellen und gesundheitlichen Genozid angewiesen?

Die Zeichen der Zeit können uns Angst machen. In Mt 24:29 lesen wir, dass die Welt in ihren Grundfesten erschüttert wird, dies betrifft uns alle. Das ist kein angenehmer Gedanke. Aber Gott lässt uns in unseren Ängsten nicht allein. Es gibt keinen Zweifel, er ist auf unserer Seite. Wir sind der Katastrophe nicht hilflos ausgeliefert. Außerdem bedeuten diese Zeichen für uns nicht das Ende. In allem, was passiert, haben wir Grund, uns komplett auf Gott zu verlassen, da er alles in seiner Hand hat.

Wäre ich ein allmächtiges und allgütiges Wesen, würde ich einen Weg finden, die erwarteten Wohltaten – die nicht so aussehen wie Wohltaten – ohne vorherige Katastrophen umzusetzen. Anscheinend liegen die Prioritäten des in der Bibel beschriebenen Krawallgottes anderswo. Oder, was viele Größenordnungen wahrscheinlicher ist: Die Autoren der Bibel haben ihre irrationalen Ängste in einer Form ausgedrückt, die in ihrem Zeitalter (und nur in diesem) sinnvoll erschien, um Menschen für ihre Variante des apokalyptischen Judentums zu rekrutieren. Das ist ihnen so gut gelungen, dass heute noch Leute mit schlecht eingestelltem Bullshit-Detektor sich ihren Nachfolgern anschließen.

Wir erinnern uns: Der Autor des Matthäus-Evangeliums ist auch der, der beschreibt, dass beim Tod Jesu am Kreuz viele Tote auferstanden und durch Jerusalem geirrt seien. Wer schon in die Vergangenheit Zombie-Geschichten projiziert, ist für die Zukunft nicht viel vertrauenswürdiger – vor allem, wenn seine Zukunft längst Vergangenheit ist.

Eine schöne Frage gibt es: Was meinen Sie, welche von Jesu Vorhersagen in Mt 24 sind bereits wahr geworden?

Ich antworte:

Erstens ist der Tempel in Jerusalem tatsächlich im Krieg der Jahre 70 bis 74 komplett zerstört worden. Dann sind auch viele aufgetreten, die meinten, sie seien der Christus, und damit viele Menschen irreführten. Es gab natürlich Kriege und Hungersnöte. In Vers 34 erwähnt Jesus, dass alles noch im Leben der Anwesenden passieren wird. Dies ist bisher nicht geschehen.

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