In der Bibelschule (20)

Die zwanzigste Lektion hat den Titel Christlich sein in der Praxis und beschreibt, dass ChristInnen handeln und bereit sind, Verantwortung für andere zu übernehmen. Daraus folgt einerseits die Erwartung, als christliche Menschen wohltätig zu sein und anderen zu helfen. Andererseits wird auch erwartet, dafür zehn Prozent des Einkommens an Gott, also natürlich an die jeweilige Kirche abzutreten.

Die Einleitung beschreibt, dass wir überall einen Mangel an Verantwortungsbewusstsein sehen: In der Wirtschaft, in der Politik, im gesellschaftlichen Alltag. Beziehungen und Familien zerfallen, weil die Menschen angeblich nicht bereit sind, Verantwortung für ihre Fortführung zu übernehmen.

Aber keine Angst, die Bibelschule meint, eine Lösung anbieten zu können.

Im Berufsleben redet man manchmal von Vertrauensposition. Darunter versteht man eine Aufgabe mit großer Verantwortung. Gott gab uns so eine Vertrauensposition:

Seid fruchtbar und mehrt euch, füllt die Erde und unterwerft sie und waltet über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die auf der Erde kriechen! (1 Mose 1:28, Einheitsübersetzung)

Seid fruchtbar und mehrt euch! Füllt das Wasser … sagt Gott aber vorher in Vers 22 bereits zu den Wassertieren und Vögeln! Natürlich segnet er sie auch.

Die Mythologie sagt also, dass die zwei gerade erschaffenen Menschen, die noch nichts wissen, exakt jene Aufgabe bekommen, die vorher schon an Gänse und Goldfische verteilt wurde, sie werden nur Vorgesetzte dieser Tiere.

Echte Vertrauenspositionen bekommen hingegen Menschen, die mit Ausbildung und früherer Erfahrung in ähnlichen Aufgaben belegen können, dass sie für die Position geeignet sind. Gerade erschaffen und dann gesegnet worden sein sind keine ausreichenden Qualifikationen. Die oberste Management-Ebene handelt nicht sehr verantwortungsvoll, was die Bibelschule aber nicht merkt.

Die Vertrauenswürdigkeit des ersten Menschenpaares hat sich verschlechtert, nachdem es lieber der Schlange geglaubt hat als Gott.

Jo, die Schlange hat im Märchen halt auch wirklich die Wahrheit gesagt (sie werden nicht sterben), während Gott gelogen hat (am Tag, da du davon isst, wirst du sterben). Euer Buch, liebe Leute. Ihr solltet schon wissen, was drinnen steht.

Dann wird Kain erwähnt, der seinen Bruder ermordet haben soll, als Beispiel für unverantwortliches Verhalten.

Die Ursachen seiner Tat waren Egoismus und Beleidigtsein. Menschliche Wesenszüge.

(Laut Erzählung vom allmächtigen und allwissenden Gott so eingerichtet.)

Das heißt aber nicht, dass wir Lieblosigkeit, Egoismus und den Mangel an Verantwortungsgefühl als gegeben hinnehmen müssen. Jesus kennt unsere Situation. Er sah sie voraus:

Und weil die Gesetzlosigkeit überhand nimmt, wird die Liebe bei vielen erkalten. (Mt 24:12, EÜ)

Kontext dieser Aussage: Das Ende der Welt. Zuerst sollen Krieg, Hungersnöte und Erdbeben kommen, dann Jesu Nachfolger ausgeliefert und getötet werden, und dann, nach vielen falschen Propheten, folgt das mit der Gesetzlosigkeit. Diese Situation haben wir also gar nicht. Jesus sah etwas anderes voraus – und versprach den Anwesenden, dass das in ihrem Leben passiert. Christen warten seit fast zweitausend Jahren darauf. Andere haben erkannt, dass sie betrogen werden und sich von diesem Glauben gelöst.

Jesus zeigt aber immer und immer wieder den Weg, den wir gehen können, um unsere Aufgabe zu erfüllen: Liebe zu praktizieren. Er gibt die Kraft dazu.

Indem er ein gewalttätiges, chaotisches Ende der Welt ankündigt und dann seine Versprechen nicht hält? Verglichen etwa mit säkularem Humanismus ist das keine gute Methode, Kraft zu geben.

Das Verantwortungsgefühl für Gott ist kein Zwang. Das Verantwortungsgefühl wächst aus der Liebe. Wenn der Mensch jemanden liebt, kümmert er sich um diese Person, versucht, die Probleme der Person zu lösen.

Nein, Verantwortungsgefühl kann zwar mit Liebe zu tun haben, muss es aber nicht. Wer die Verantwortung für die richtige Aufbewahrung gefährlicher Substanzen trägt, muss diese dafür nicht lieben. Es reicht zu wissen, dass man selbst schlechte Folgen für die Gesellschaft vermeiden kann und das gut ist. Kein Gott notwendig.

Verantwortungsgefühl nur aus Liebe führt schnell zum Negieren und Ignorieren der Bedürfnisse fremder Menschen, die man ausgrenzen will. In den bekannten Formen des christlichen Nationalismus, ob in den USA oder in Europa, wird das leider nur allzu deutlich.

Jesus hat uns die Liebe als Vorschuss gegeben. Er liebte zuerst uns und übernahm die Verantwortung für unsere Sünden.

Wenn man Jesus mit Gott gleichsetzt (was Christen tun) und den Gedanken akzeptiert, dass die Sünden von Adam und Eva, also Gottes Geschöpfen kommen, dann täte dieser Gott gut daran, wirklich Verantwortung zu übernehmen. Das ist aber nicht erkennbar – der Gott ließ noch jemanden in Menschenform (angeblich sich selbst) in einer konfusen Abfolge von Ereignissen foltern und töten, um diese Verantwortung zu übernehmen. Das ergibt nicht einmal Sinn, wenn man alle christlichen Erzählungen glaubt.

Verantwortung zu übernehmen heißt, bei komplexen Entscheidungen und Aktionen (die Erschaffung der Welt könnte man so bezeichnen) gut nachzudenken und auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Einen speziellen Baum in die Mitte zu stellen und eine sprechende Schlange dazu, damit die jungen und unerfahrenen Menschen leicht einen Fehler machen, ist kein verantwortliches Verhalten.

Aber gut, Fehler passieren, laut Bibel auch diesem Gott. Wie übernimmt man Verantwortung, nachdem das eingetreten ist? Die Opfer des eigenen Fehlers zu bestrafen ist nicht der richtige Weg. Sich selbst an der Nase nehmen, aus den Fehlern zu lernen, und die negativen Konsequenzen möglichst abzufedern, das ist Verantwortung übernehmen. Dies sehen wir in der Erzählung vom allwissenden, allmächtigen, allgütigen Gott nicht. Die Menschen werden bestraft, ausgewiesen, ertränkt, versklavt, mit Kriegen im Namen Gottes gequält und getäuscht.

Die Entscheidung für Jesus Christus verändert alle Gebiete unseres Lebens. Christlich zu sein ist eine vollständig praktische Sache. Deswegen bleibt der Aufruf nicht ohne Wirkung:

Einer trage des anderen Last … (Galater 6:2, EÜ)

Das Zitat ist hier aus gutem Grund abgekürzt: Es geht weiter mit so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen. Da haben sogar die Leute der Bibelschule gemerkt, dass sie etwas zitieren, was ihre Behauptung von der praktischen Sache überhaupt nicht stützt. Es gibt kaum etwas Abstrakteres als das Gesetz Christi erfüllen.

Im Alltag bedeutet das zum Beispiel, dass wir den Geflüchteten helfen, Kranke besuchen, auf die Kinder der Nachbarn aufpassen, wenn sie einen wichtigen Termin haben. Das kostet natürlich Zeit. Aber Gott hat uns Zeit geschenkt.

Lächerlich, dass man normales soziales Verhalten von Menschen beschreibt und dann irgendwie Gott hineinreklamiert. Wenn man die Schöpfungsgeschichte ernst nimmt, war Zeit schon da, unabhängig von Gott. Menschen entscheiden mit ihrem freien Willen, wie sie sie nutzen.

Selbstbewertung: Für Gott ist nicht nur wichtig, dass wir mit unseren Mitmenschen gut auskommen. Wenn Jesus sagt, dass wir unseren Nächsten so lieben sollen wir uns selbst (Mt 22:39), betont er auch, wie wichtig das Verhältnis zu sich selbst ist. Wir müssen uns wertschätzen, weil wir Gottes Geschöpfe sind, und er uns akzeptiert hat, wie wir sind.

Das betont Jesus in dieser Passage und auch in ihrem Umfeld nicht. Er erwähnt dieses Thema nicht einmal. Das mit dem Lieben des Nächsten ist übrigens nur das zweitwichtigste Gebot: Das erste ist natürlich, Gott zu lieben. Sonst klugscheißt Jesus nur in diesem Kapitel, worüber das Volk zuerst wiederholt staunt, und dann am Ende wagte keiner mehr, ihm eine Frage zu stellen (Vers 46). Oder sie erkannten, dass er nichts Sinnvolles zu sagen hat.

Das Geld regiert die Welt: Wir kennen den Spruch: Beim Geld hört die Freundschaft auf. Ist auch das Christentum zu Ende, wenn es ums Geld geht? Alles, was wir sind und haben, kommt von Gott.

Achso? Auch Schlechtes? Wie war das nochmal mit dem freien Willen?

Wer sich entscheiden kann, hart zu arbeiten und Mitmenschen zu helfen, kann auch entscheiden, anderen Menschen zu schaden. Was davon kommt von Gott, wirklich alles? In einer Welt, in der wir keinerlei Wirken irgendwelcher GöttInnen feststellen können, weil alles, was wir beobachten, naturwissenschaftlichen Gesetzen folgt.

Deswegen müssen wir unser Geld so verwalten, dass auch dadurch Gottes Liebe und Großzügigkeit merkbar werden. Was wir von ihm bekommen, gibt er nicht her, damit wir es für eigene Zwecke nutzen. Das muss allen Menschen zugute kommen.

Sagt das den christlichen Fernsehpredigern mit den Privatjets, oder den stinkreichen Patriarchen, die von heiligen Kriegen sprechen.

Zur richtigen Verwendung des Geldes gibt die Bibel sehr gute Anleitungen. Sie beschreibt auch, was die Folgen der Großzügigkeit sind:

Bringt den ganzen Zehnten ins Vorratshaus, / damit in meinem Haus Nahrung vorhanden ist! Ja, stellt mich auf die Probe damit, / spricht der HERR der Heerscharen, ob ich euch dann nicht die Schleusen des Himmels öffne / und Segen im Übermaß auf euch herabschütte. (Maleachi 3:10, EÜ)

Dies ist eine klare Regel. Ein Zehntel des Einkommens gehört Gott. Dies ist auch im neuen Testament zu finden (Mt 23:23).

Ein Zehntel ist für viele Menschen in schwieriger Lage ziemlich viel. Das kann sie finanziell ruinieren. Nur fürs vage Versprechen, Gott auf die Probe stellen zu können.

Selbst die katholische Kirche hebt wesentlich weniger Kirchenbeitrag ein. Aber viele evangelikale und andere problematische Gruppen wie die Mormonen betonen die Zehntel-Regel und rufen dazu auf, freiwillig mehr zu geben.

Natürlich ist gehört Gott so zu verstehen, dass die jeweilige Kirche das Geld bekommt. Wenn die Christen ihre eigene Beschreibung von Gott ernst nähmen, würden sie merken, wie wenig ein allmächtiges Wesen mit Geld, das es vorher selbst verteilt hat, anfängt. Und wie viel jene Leute, die ihn als Vorwand nehmen, um ans Geld der Opfer ihrer frei erfundenen Erzählungen zu kommen.

Gott will uns nicht von unserem hart verdienten Geld trennen. Er will uns segnen, weil wir das Verbreiten des Evangeliums auch finanziell unterstützen.

NATÜRLICH geht es am Ende nicht darum, Menschen zu helfen (z. B. indem man die 10 % an echte Hilfsorganisationen spendet). Sondern um weitere Missionierung, vorgeblich für Gott, in Wirklichkeit für die jeweilige Kirche. Die dann einen kleinen Prozentsatz für Wohltätigkeit ausgibt, um die Geschichte von der christlichen Nächstenliebe zumindest etwas glaubwürdig erzählen zu können.

Plötzlich ist das Geld hart verdient. Vorher kam es (wie alles) von Gott. Entscheidet euch für eine Geschichte.

Wie freiwillig die Annahme der Geschenke wirklich ist, haben wir ja im letzten Kapitel gesehen.

Geben und Nehmen: Gott hat uns viel geschenkt. So viel, dass wir das nicht einmal begreifen können. Er gibt uns die volle Freiheit. Wir können mit seinen Geschenken so verfahren, wie wir wollen. Gott zwingt uns zu nichts. Aber wenn wir uns für Christus entschieden haben, und Schritt für Schritt die Größe der Liebe Gottes erkennen, können wir nicht anders: Wir wollen dann geben, teilen und helfen.

Das können wir komplett ohne Gott auch. Sogar besser, wenn wir nicht ein Zehntel unseres Einkommens fürs Verbreiten von schlecht ausgedachten Lügen ausgeben, sondern für echte Wohltätigkeit. Und unsere Zeit nicht mit dem Konsum und der Weiterverbreitung dieser dummen Ideen verplempern.

Geben kann nur, wer etwas hat, wer etwas bekommen hat. Und wir haben so viel, dass wir auch anderen Menschen etwas geben können.

Ja, es ist ein guter Rat – hier an ChristInnen –, dass sie, wenn sie die Möglichkeit dazu haben, für die Gesellschaft da sein sollen. Er ist zwar nicht spezifisch fürs Christentum, und wurde auch nicht von ihm erfunden (nur die falsche Begründung, alles käme von Gott), aber ein guter, positiver Rat.

Eine der Fragen lautet: Welche Geschenke gab Gott den Menschen? Als mögliche Antworten aufgelistet sind: Gesundheit, Zeit, Kraft, Geld, Intelligenz, Leben.

Ohne an einen Gott zu glauben, der eine Wirkung in der Welt entfaltet, kann man natürlich nichts davon als wahr ansehen. Ich bin gespannt, was angekreuzt gehört hätte. Vermutlich, nach dieser Lektion, alles mit Ausnahme der Dinge, für die man selbst hart gearbeitet hat.

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